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Panorama: Ein maßgeschneidertes Leichenhemd

Selbst den Briten sind manche Werbespots zu geschmacklos VON SUSANNE OSTWALDDie Briten sind bekannt dafür, einen Hang zum Makabren zu haben.Ihr Sinn für schwarzen Humor ist sprichwörtlich.

Selbst den Briten sind manche Werbespots zu geschmacklos VON SUSANNE OSTWALD

Die Briten sind bekannt dafür, einen Hang zum Makabren zu haben.Ihr Sinn für schwarzen Humor ist sprichwörtlich.Herzlich gelacht wird auf der Insel der guten Sitten über das, was andernorts als geschmacklos gilt.Doch manchmal bleibt selbst den Briten das Lachen im Halse stecken.Der Werbespot eines Londoner Maßschneiders gehe entschieden zu weit, sagen nun auch die in dieser Hinsicht nicht zimperlichen Briten. Der Spot, der erst im Frühjahr in englischen Kinos anlaufen soll, zeigt laut "Sunday Times" einen gutaussehenden jungen Mann - dargestellt von Jeremy Sheffield von der ehrwürdigen Royal Shakespeare Company - beim alltäglichen Morgengeschäft in seiner gepflegten Junggesellenwohnung.Er steht auf, kocht Kaffee, rasiert sich und legt sorgfältig seine edle, maßgeschneiderte Garderobe an: blaßblaues Hemd mit grüner Krawatte zum dezent karierten Anzug.Nach einem anerkennenden Blick in den Spiegel geht er zum Fahrstuhl und steigt ein.Die Kamera fixiert die Anzeige des Aufzugs, der nach oben fährt.Man hört, wie der Mann aussteigt, über das Dach geht und - springt.Mit einem dumpfen Schlag hört man ihn aufschlagen, bevor Richard James den Namen seines Maßateliers in Londons vornehmer Savile Row einblenden läßt.Zu wörtlich, so fanden schockierte Zeitungskritiker, die den Spot vorab sehen durften, nimmt der Spot die Redewendung "Dress to kill", was sinngemäß übersetzt "sich herausputzen" heißt.Dieser Werbefilm bricht ein Tabu: Er ist der erste, in dem ein Selbstmord dargestellt wird.Nach dem Motto, Aufmerksamkeit ist alles, erhofft sich James von dem Spot durchschlagenden Erfolg."Wir wollen zeigen, daß unsere Kleidung zu den wichtigsten Anlässen getragen wird: Hochzeit, Taufe und Tod", sagt James.Auf keinen Fall wolle er für Selbstmord eintreten oder das Thema verharmlosen. "Über Selbstmord redet man nicht, heißt es", sagt Murray Partridge von der verantwortlichen Werbeagentur."Doch was tun Selbstmörder, bevor sie sich umbringen? Frühstücken sie? Und wie kleiden sie sich?" Das interessiere jeden, begründet er den morbiden Reiz des Spots.Es spricht vieles dafür, daß Partridges Werbeidee aufgehen wird.Eine rabenschwarze Fernsehwerbung ließ vor einiger Zeit den Umsatz einer Zigarettenmarke in die Höhe schnellen.Wann immer sich in dem Spot jemand eine Zigarette dieser Marke anzündete, wurde er von einem Heckenschützen erschossen.Vielleicht dachten viele Käufer, wer erschossen wird, ist eine wichtige Persönlichkeit? Partridge, der Regisseur des Textil-Spots, ist berüchtigt für seine provokanten Werbefilme.Vor einigen Jahren mußte er einen Spot zurückziehen.In ihm wurden drei alte Paare in der Psychiatrie vorgestellt: Die Ehepaare Hitler, Amin und Thatcher, Eltern von Adolf, Idi und Margaret.Die am Ende eingeblendete Botschaft lautete: "Hätten sie doch Jiffy-Kondome getragen"."Im Werbegeschäft," sagt Partridge, "kann man sich heutzutage Höflichkeit nicht leisten".

SUSANNE OSTWALD

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