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Panorama: Ein Meteoritentreffer? Eine Gasfontäne? Forscher diskutieren über mögliche Interpretationen des spektakulären Fotos

Das Universum erscheint uns oft irgendwo da draußen, weit weg. Ein Bild wie jenes, das dem Berliner Thomas Hamann nun mit seinem Teleskop geglückt zu sein scheint und das der Tagesspiegel gestern erstmals veröffentlichte, zoomt den Weltraum jedoch für einen Augenblick bedrohlich nah heran.

Das Universum erscheint uns oft irgendwo da draußen, weit weg. Ein Bild wie jenes, das dem Berliner Thomas Hamann nun mit seinem Teleskop geglückt zu sein scheint und das der Tagesspiegel gestern erstmals veröffentlichte, zoomt den Weltraum jedoch für einen Augenblick bedrohlich nah heran. Große und kleine Asteroiden schwirren in großer Zahl durch unser Sonnensystem. Und sie schlagen, in mehr oder weniger langen zeitlichen Abständen, auf dem Mond und auch auf der Erde (siehe Kasten) ein. Hamann hat nun möglicherweise als Erster einen solchen Einschlag auf dem Mond auf einem Foto festhalten können.

Wissenschaftler sind sich einig darüber, dass ein Bild von einem Metoriteneinschlag auf dem Mond eine sensationelle Aufnahme wäre. Denn um dies von der Erde aus fotografieren zu können, muss das Geschoss eine Menge Staub auf dem Mond aufwirbeln, Staub, der dann im Sonnenlicht leuchtet. Der Meteorit muss also recht groß sein. Er muss zudem an der rechten Stelle runterkommen. Und dafür waren die Umstände am Dienstag, dem 18. Januar, denkbar ungünstig: Der fast volle Mond überstrahlte alles, und nur an seinem Saum war die Möglichkeit gegeben, eine Staubfontäne zu beobachten. Dass der Berliner Hobbyastronom seine Kamera just zur rechten Zeit auf den rechten Fleck gehalten haben soll, erscheint manchem Fachmann eine zu große Herausforderung der Regeln der Statistik zu sein.

Hamanns Film - auf ihm würde man zunächst mögliche Fehlerquellen vermuten - hat ersten Begutachtungen von Experten indessen standgehalten. Am Mittwoch versuchten Forscher daher auf andere Weise, das Foto mit ihrem statistischen Unbehagen in Einklang zu bringen

So wäre es etwa möglich, dass der Meteorit gar nicht so groß war, wie man aufgrund der hellen Leuchterscheinung vermuten würde. "Man überschätzt so etwas leicht", sagt Jürgen Oberst, Wissenschaftler am Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung in Berlin-Adlershof. "Es könnte auch einer jener etwas kleineren Meteorite sein, die einen Krater von 50 Metern Durchmesser hinterlassen." Und solch kleine Himmelsbrocken fallen im Gegensatz zu ihren großen Brüdern recht oft auf den Mond. So oft, dass es schwierig, vielleicht unmöglich wäre, den vermeintlichen Krater bei einer späteren Satellitenmission zu finden.

Wenn es sich um einen Meteoriteneinschlag handelt, bleibt überdies zu klären, warum ein derart scharf begrenzter Staubschweif über dem Rand des Mondes schnurgerade ins All hinaus weist. Wie eine solche Staubfontäne entstehen könnte, dafür geben die bislang auf dem Mond untersuchten Krater nur wenig Anhaltspunkte. Die größeren, tieferen Krater allerdings haben in ihrer Mitte häufig eine kleine Erhebung, wie Planetenforscher vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz erläutern. Die beim Einschlag entstandene Delle im Mondboden könnte also - nach einer starken Erhitzung - leicht zurückgefedert sein und dabei den Staub in einer Richtung nach oben ausgeworfen haben.

Was auf Hamanns Bild nach den Folgen eines Meteoriteneinschlags aussieht, könnte aber auch von einem ganz anderen Ereignis zeugen. Auf den ersten Blick wäre der Vorbeiflug eines Kometen, der gerade hinter dem Mond abtaucht, eine mögliche Erklärung für die Leuchtspur. Doch die Bahnen von hellen Kometen sind recht gut bekannt. Der Kandidat auf Hamanns Foto sollte den Astronomen daher nicht entgangen sein.

So bleibt als vorerst einzige wirkliche Alternative zu einem Meteoriteneinschlag die Hypothese, dass das Bild eine Gasfontäne zeigt, die aus dem Mondboden schießt. "Schon einige Astronomen haben in der Vergangenheit behauptet, Lichtblitze auf dem Mond gesehen zu haben", sagt Oberst. "Und wir wissen aus Messungen, dass es auf dem Mond auch natürliche Beben gibt." Dabei könnten Gase, die irgendwo in der Tiefe eingeschlossen waren, freigesetzt werden, und durch Rillen und Furchen an die Oberfläche vorstoßen. Hamanns Bild bliebe auch bei dieser Deutung einzigartig.

Die Diskussion um das Foto wird in den kommenden Tagen womöglich noch um das Urteil amerikanischer Experten bereichert werden. Bis dato bleibt ein Meteoriteneinschlag die naheliegende Erklärung für den hellen Mondzipfel. Aber auch die gilt in der zu Recht von Skepsis geprägten Wissenschaft ohne ein zweites Bild oder eine andere Bestätigung allenfalls als Indiz. Thomas Hamann mag das wenig stören. Das Fernrohr, das er sich eigens für die Sonnenfinsternis im vergangenen Jahr kaufte, hat sich schon vielfach bezahlt gemacht. Zur Finsternis etwa reiste er mit Frau und Kindern nach Bayern - und hatte mit der Wahl des Ortes einglückliches Händchen: Der wolkenverhangene Himmel über ihm riss zur rechten Zeit für drei Minuten auf. "Ich konnte eine tolle Fotoserie von der Finsternis machen", schwärmt der 44-Jährige. Mit der spektakulären Mondaufnahme auf der Terrasse seiner Wohnung in Tegel gelang ihm vielleicht ein ungleich größerer Coup.

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