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Blumen für die Opfer. Das Archivbild zeigt die Schule am Tag nach der Tat. Foto: dapd

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Panorama: „Ein schwieriger Tag“

Erfurt gedenkt nächste Woche des Massakers am Gutenberg-Gymnasium, das sich zum zehnten Mal jährt.

Die Thüringer Landeshauptstadt hat eine ausgesprochen hohe Zahl von Kirchen. Überall dort sollen am Donnerstag in der kommenden Woche um elf Uhr die Glocken läuten. Um diese Zeit hatte zehn Jahre zuvor ein Attentäter am Gutenberg-Gymnasiums ein Massaker verübt. Der frühere Schüler Robert Steinhäuser erschoss zwölf Lehrer, die Schulsekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten, eher er sich selbst tötete.

Dass die erste Bluttat dieser Dimension in Deutschland mit Erfurt verbunden ist, daran trägt die 200 000-Einwohner-Stadt bis heute schwer. „Für Erfurt ist es ein schwieriger und trauriger Tag“, sagte Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) am Montag auf einer Pressekonferenz. Nach seinen Worten hat sich der 26. April 2002 ins Bewusstsein der Bevölkerung eingebrannt. Wohl jeder Einwohner wisse bis heute, was er damals gemacht habe, als die Medien von immer mehr Toten berichteten und das Gelände rund um die Schule einem Heerlager von Einsatzkräften der Polizei und der Rettungsdienste glich. Zehn Jahre später wird es ein stilles Gedenken geben. Die 543 Schüler und ihre 56 Lehrer treffen sich vor dem trutzigen Schulgebäude an der Gedenktafel. „Verbunden mit der Hoffnung auf eine Zukunft ohne Gewalt“, steht auf der schlichten Tafel mit den Namen der Opfer. Lieder und Texte würden vorgetragen, sagt Schulleiterin Christiane Alt. Das Gymnasium, das nach dem Attentat mit Bundesgeldern aufwendig umgebaut wurde, stehe danach ehemaligen Schülern und Angehörigen der Opfer offen. Die letzten Schüler, die das Massaker noch selbst erlebt haben, verließen im Sommer 2010 die Schule. 15 Lehrer von damals unterrichten bis heute hier. Das Geschehen „ist Teil unseres Lebens geworden“, sagt die Schulleiterin. Im Alltäglichen spiele es für sie und ihre Kollegen keine Rolle mehr – jedenfalls so lange, bis wieder von einem Schulmassaker irgendwo auf der Welt berichtet wird.

Nach dem Massenmord eines Schülers im März 2011 in Winnenden mit 16 Toten waren Lehrer des Erfurter Gymnasiums nach Baden-Württemberg gefahren, um ihre Erfahrungen an die traumatisierten Betroffenen weiterzugeben.

Nach Ansicht von Thüringens Bildungsminister Christoph Matschie (SPD) hat sich seit dem Erfurter Attentat einiges zum Besseren gewandelt. So sei der Jugendschutz ausgebaut und das Waffenrecht verschärft worden. Die Landespolizei könne nun schneller auf besondere Vorkommnisse reagieren, an Schulen und Kindergärten gebe es entsprechende Notfallpläne. Die Zahl der Schulpsychologen sei auf 32 verdoppelt worden. „Wir sind wachsamer geworden“, sagt Matschie. In Thüringen können nun alle Gymnasiasten in der zehnten Klasse einen Abschluss machen, damit sie nicht – wie Steinhäuser – am Ende der Schulzeit mit leeren Händen dastehen.

Trotzdem haben Matschie und Bausewein Zweifel, ob die Regelungen im Waffenrecht schon ausreichen. „Ich habe ein mulmiges Gefühl bei dem Gedanken, dass so viele Waffen in privaten Schränken zu Hause stehen“, sagt der Thüringer Bildungsminister. Und Erfurts Oberbürgermeister kritisiert: „Für mich ist unklar, wieso Privatpersonen noch immer Waffen zu Hause lagern dürfen.“

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