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Panorama: Ein stilles Prosit

Schon vor der eigentlichen Eröffnung wird auf der Wiesn gefeiert

Es ließe sich darüber streiten, ob die Vorfreude die schönste Freude ist. Die Vorfreude auf das Münchner Oktoberfest jedenfalls, das am Samstag wie üblich im Schottenhamel-Zelt vom Oberbürgermeister Christian Ude mit wahrscheinlich wieder wenigen Schlägen eröffnet wird, lässt sich stillen, indem man sich sein Bier auf der so genanten Vor-Wiesn kauft.

Man sitzt dann bestenfalls an einem gerade roh hingezimmerten Tisch, hat also keinen Anspruch auf besonderes Dekor. Prinzipiell gesehen hat man sogar noch nicht einmal einen Anspruch auf ein halbes Hendl und eine Maß Bier (die vor dem eigentlichen Beginn der Wiesn für 3 Euro 80 abgegeben wird), denn Speisen und Getränke aus der Kantine der großen Brauereien sind eigentlich nur für die Bauarbeiter auf der Wiesn vorgesehen, die seit Wochen dafür sorgen, dass die Zelte pünktlich stehen. Nicht-Bauarbeiter werden von der Wiesn-Aufsicht offiziell nicht gerne gesehen, inoffiziell jedoch drückt besagte Aufsicht gerne wohlwollend die Augen zu.

Die Vor-Wiesn ist vor allem ein stilles, heiteres Vergnügen für viele Menschen, die sich die richtige Wiesn nicht leisten können. Von Samstag an freilich sieht die Sache für drei Wochen anders aus, denn dann soll der Euro rollen, auch wenn der Bierpreis zum ersten Mal seit 1969 stabil geblieben ist. Für höchstens 6 Euro 80 geht die Maß dann über den Schanktisch, und die zuständige Eingreiftruppe des Kreisverwaltungsreferats München wird beständig darüber wachen, dass der Schaum im Krug nicht zu hoch steigt. Eine Maß hat eine Maß zu bleiben, was man für den Preis ja wohl auch erwarten kann. Insgesamt will die Wiesn in diesem Jahr gewissermaßen bei sich selbst etwas gut machen, denn in den letzten beiden Jahren litten Schausteller wie teilweise auch die Festwirte unter Umsatzeinbußen, die zum einen (im Jahr 2001) mit dem Datum 11. September zu tun hatten, zum anderen (im Jahr 2002) ganz schnöde mit dem schlechten Wetter. Ins Zelt mag man sich noch hocken, wenn es dauerhaft regnet, auf die Rutschbahn geht dann freiwillig keiner mehr.

Auf dem Gebiet der Fahrgeschäfte hält die 170. Wiesn wie üblich einige Neuheiten bereit: Zum ersten Mal zum Beispiel ist der „Power Tower“ auf der Theresienwiese zu Gast; es handelt sich dabei um den höchsten und schnellsten Freifallturm der Welt. Ferner debütieren das High-Tech-Karussell „High Energy“ und das Laufgeschäft „Mystery“. Neben den 14 Festzelten haben insgesamt 214 Schausteller aufgebaut. Sie alle hoffen auf gutes Wetter, was die Meteorologen zumindest zur Eröffnung der Wiesn versprechen, und auf gute Umsätze.

Die Vorausbuchungen für die Zelte lassen einen nicht geringen Ansturm erwarten. Währenddessen und eingedenk der Sprengstofffunde bei Neonazis in der letzen Woche, ist die Münchner Polizei besonders auf der Hut. Die Zelte werden nicht nur in der Früh von Sprengstoffspürhunden untersucht. Zudem sind die Sicherheitsdienste mit massivem Aufgebot in Zivil unterwegs. Fast vergessen ist der Anschlag von vor zwanzig Jahren, durch die Festnahmen in der Skinhead-Szene allerdings wurde er wieder in Erinnerung gerufen. Damals starben 20 Menschen, über 200 wurden teilweise schwer verletzt. Das letzte Risiko kann die Polizei natürlich auch heute nicht ausschließen.

Den Anwohnern rund um die Theresienwiese werden von Samstag an wie immer die üblichen Beschwernisse rund um das weltweit beliebte Volksfest zuteil werden. Sie haben es dann zu tun mit zugeparkten Einfahrten, zweckentfremdeten Vorgärten und Lärmbelästigungen jeder Art. Über sechs Millionen Besucher werden erwartet. Nach wie vor markieren Zelte wie das Hippodrom oder das Augustiner die Gegensätze beim Wiesn-Besuch: Wer bei Sepp Krätz einkehrt, will es laut und krass haben. Wer es beschaulicher liebt, sucht das Augustiner auf, welches seit Jahren vom Ehepaar Vollmer bewirtschaftet wird. Doch wer wirklich in Ruhe Bier trinken will, ist auf der Wiesn völlig falsch. Aber München ist ja groß – und woanders auch schön(er).

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