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Ein Toter bei Krawallen in London: Mann stirbt an Schussverletzungen

Erstmals seit Beginn der Gewaltexzesse in London ist ein Mensch gestorben. Ein 26 Jahre alter Mann erlag am Montag in einem Krankenhaus seinen Schussverletzungen.

Die schweren Krawalle in London haben den ersten Toten gefordert. Ein 26-Jähriger, der in der Nacht zum Dienstag angeschossen wurde, starb im Krankenhaus, teilte Scotland Yard mit. Der Mann war am Montagabend mit mehreren Schusswunden in einem Auto im Bezirk Croydon gefunden worden. Nach Angaben der Polizei waren zu dem Zeitpunkt zwei weitere Personen anwesend. Sie wurden verhaftet, weil sie Diebesgut bei sich trugen.

Die Krawalle haben sich inzwischen auf mehrere Londoner Stadtteile ausgeweitet. Mehr als 40 Polizisten wurden verletzt. Auch mehr als 20 Randalierer sollen ins Krankenhaus gebracht worden sein. Der Sachschaden geht in den mehrstelligen Millionenbereich.

Auslöser der Unruhen war der Tod eines Briten, der während eines Polizeieinsatzes zur Waffenkriminalität am Samstag im Problemviertel Tottenham erschossen worden war. Noch am Abend desselben Tages hatte es zunächst friedliche Proteste gegeben, die jedoch in Gewalt ausgeartet waren.

Mittlerweile sind weitere Details über den Tod des Opfers vom Samstag, einem vierfachen Familienvater, bekannt geworden. Offenbar ist er durch einen einzelnen Schuss aus der Waffe eines Polizisten getötet worden. Das geht aus einer am Dienstag vorgestellten Untersuchung zum Tod des 29-Jährigen hervor. Das Opfer, Mark D. wurde demnach durch einen Schuss in die Brust getötet. Die weiteren Umstände seines Todes sollen von einer unabhängigen Untersuchungskommission geklärt werden. Medienberichten zufolge soll die Polizei während des Einsatzes gegen D. selbst nicht angegriffen worden sein, als sie das Feuer eröffnete. Die Familie des 29-Jährigen ließ erklären, sie sei erschüttert über die derzeitigen Ausschreitungen, die nichts mit der Untersuchung der Todesumstände D. zu tun hätten.

Angesichts der anhaltenden Straßenschlachten in London und anderen britischen Städten hat Premierminister Cameron am Dienstagmorgen zum Krisentreffen gebeten. Vor der Tür von Downing Street Nummer 10 sagte der Premier: "Wir werden alles tun, um die Ordnung wieder herzustellen." Die Zahl der Polizeikräfte werde von 6000 auf 16 000 in der kommenden Nacht aufgestockt. Cameron verurteilte die Straßenschlachten als "pure Kriminalität". Zugleich berief er für Donnerstag das Parlament in London ein und kündigte eine harte Bestrafung der Randalierer an. „Ihr werdet die Kraft des Gesetzes spüren“, sagte er vor der Tür von Downing Street Nummer 10. Wenn sie alt genug seien, diese Verbrechen zu begehen, seien sie auch alt genug, für sie zu büßen. Bisher seien 450 Randalierer festgenommen worden. Es sei noch mit deutlich mehr Festnahmen zu rechnen.

In der britischen Metropole London hat es in der dritten Nacht in Folge schwere gewalttätige Ausschreitungen gegeben. Ganze Einkaufsstraßen wurden in der Nacht zu Dienstag in Schlachtfelder verwandelt. Vermummte Jugendliche traten Fensterscheiben ein, Gebäude und Autos standen in Flammen, die Straßen waren mit Flaschen, Steinen und Glasscherben übersät. Aus acht Stadtvierteln in allen Teilen Londons gab es Berichte über Gewalt, Brände und Plünderungen: von Ealing im Westen bis Hackney im Osten, von Croydon im Süden bis Camden im Norden.

Erstmals wurden auch Unruhen aus Bristol, Liverpool und Birmingham gemeldet. Teilweise hatte die Londoner Feuerwehr nicht mehr genügend Einsatzfahrzeuge zur Verfügung, um die Brände zu löschen. Die Polizei setzte 1700 zusätzliche Beamte ein, um die Kontrolle über die Straßen wiederzugewinnen.

Viele Betroffene äußerten harsche Kritik am Vorgehen der Polizei. Die Einsatzkräfte wirkten überfordert. Schnell wurde der Ruf nach härteren Maßnahmen und einem Einsatz des Militärs laut. Laut Londons Polizeichef Tim Godwin gibt es aber keine entsprechenden Pläne. Die britische Innenministerin Theresa May sagte dazu: „In Großbritannien halten wir niemanden mit Wasserwerfern zurück.“ Sie rief die Eltern der randalierenden Jugendlichen und die Vertreter der Gemeinden auf, den Behörden dabei zu helfen, die Gewalttäter auf den Bildern der Überwachungskameras zu identifizieren.

Ein führender Polizist von Scotland Yard erklärte, das Profil der Krawallmacher habe sich seit Beginn der Ausschreitungen am Wochenende geändert. Während in den ersten beiden Nächten vor allem 14- bis 17-Jährige beteiligt gewesen seien, hätten in der Nacht zum Dienstag Gruppen älterer Randalierer mit Autos die Plünderungen organisiert, sagte Polizeioffizier Stephen Kavanagh. Einige hätten versucht, Sanitäter und Feuerwehrleute anzureifen. Die Beamten hatten vor allem Probleme mit den Jugendlichen, weil sie sich als „kleine und mobile“ Gruppen über Internet und Smartphones organisierten und schnell von einem Ort zum nächsten weitergezogen.

Das für Mittwoch im Wembley-Stadion angesetzte Fußball-Länderspiel zwischen England und den Niederlanden wurde vorsorglich abgesagt. "Mit großem Bedauern" müsse die Partie im Londoner Wembley-Stadion abgesetzt werden, teilte der englische Fußball-Verband FA am Dienstag mit.

Die Polizei nahm in der Hauptstadt mehr als 330 Menschen fest, weitere 100 in Birmingham. Britische Versicherer rechneten mit Schäden in Höhe von mehreren Dutzenden Millionen Pfund. Der Unterhaltungsriese Sony teilte mit, durch den Brand in einem Warenlager könne sich die Auslieferung von CDs und DVDs verzögern.

“Wir haben keine Arbeit und kein Geld“, begründete ein junger Mann im Londoner Stadtteil Hackney die Diebstähle.

Während Politiker und die Polizei Kriminelle und Hooligans für die Unruhen verantwortlich machten, sprachen Soziologen und Anwohner von einem wachsenden Unmut in den häufig von hoher Arbeitslosigkeit geprägten Vierteln. Die britische Regierung versucht mit Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen das Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen. “Einer der wichtigsten Treiber ist die Schere zwischen Arm und Reich. Hier geht es um die Ausgeschlossenen“, sagte der Gesellschaftswissenschaftler Mike Hardy. Ein 39-Jähriger Elektriker aus Hackney sagte, die Einschnitte hätten “alles nur schlimmer gemacht. Das war erst der Anfang.“

Cameron dürfte unter Druck geraten, mehr für die armen Viertel der Hauptstadt zu unternehmen. Bislang hat er Forderungen zurückgewiesen, beim Sparen auf die Bremse zu treten und etwa Hilfe für Jugendliche auszunehmen.(rtr/dpa)

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