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Panorama: Ein Zossener Unternehmen schwört auf den Sprit aus dem Supermarkt

Den billigsten Sprit fürs Auto gibt es ab sofort im zweiten Verkaufsgang der Aldi-Filialen. 1,09 Mark kostet der Liter, der in praktischen Plastikflaschen nach Hause getragen kann.

Den billigsten Sprit fürs Auto gibt es ab sofort im zweiten Verkaufsgang der Aldi-Filialen. 1,09 Mark kostet der Liter, der in praktischen Plastikflaschen nach Hause getragen kann. Es handelt sich um gewöhnliches Pflanzenöl, das in den Tank von Dieselfahrzeugen gekippt wird. Das Auto muss vorher allerdings in einer Spezialwerkstatt für den Gebrauch von Pflanzenölen umgerüstet werden. Doch die Kosten von 4640 Mark für Pkw und kleine Lieferfahrzeuge rentieren sich schon bei einer jährlichen Laufleistung eines Motors von 25 0000 bis 30 000 Kilometern, verspricht Jens Heinrich aus der Geschäftsführung des kleinen Unternehmens Naturpower in Zossen, südlich Berlins.

"Lukrativ wird die Fahrt mit Pflanzenöl also vor allem für Speditionen, Taxi-Betriebe oder auch Außendienstmitarbeiter mit vielen Jahreskilometern", sagt er und kippt zur Demonstration gerade gekauftes Öl aus der Flasche in den Tank seines VW-Golfs. Vorher kostet er es zur Demonstration und lobt die Ungefährlichkeit. Noch billiger werde es sogar, wenn die Nutzer das Öl nicht bei Aldi, sondern über seine Firma beziehen. Dann kostet der Liter nur 99 Pfennige.

Dank der Öko-Steuer und der damit verbundenen Benzin- und Dieselpreiserhöhung hat sich das Angebot der kleinen Zossener Firma in Windeseile herumgesprochen. "Wir können uns vor Anfragen kaum noch retten", berichtet Jens Heinrich. "Vor allem kommen die Leute ins Rechnen, weil die Öko-Steuer auch in den nächsten Jahren die Spritpreise steigen lassen wird. Da sind wir mit unserer Idee vom Kraftstoff direkt vom Feld doch mehr als nur eine Alternative."

Der nur eine Handvoll Mitarbeiter zählenden Firma aus dem südlichen Berliner Umland kommt der augenblickliche Trubel gerade recht. Je mehr Autos mit Pflanzenöl fahren, desto eher werden flächendeckend entsprechende Zapfstellen zur Verfügung stehen. Doch selbst wenn sich einmal kein entsprechender Tank oder ein Lebensmittelgeschäft in der Nähe befinden sollten, bleibt der Fahrer mit seinem umgerüsteten Auto nicht auf der Strecke. Es kann weiterhin normaler Diesel nachgefüllt werden. Im Verkauf befindet sich sogar ein 1000-Liter-Vorratstank für die problemlose Aufstellung im eigenen Garten. Wegen der Unschädlichkeit des Pflanzenöls für das Grundwasser oder Seen sind keine besonderen Sicherheitsvorkehrungen nötig.

Jens Heinrich ist sich schon bewusst, dass er bei einer massenhaften Verbreitung der neuen Technik das bisherige Abgabensystem auf Benzin und Diesel doch erheblich durcheinander bringen würde. "Der Staat muss bei uns auf Steuern verzichten, aber dafür schaffen wir in der heimischen Wirtschaft auch Arbeitsplätze", sagt der forsche Unternehmer. Gerade die Brandenburger Böden eigneten sich für den Anbau von Raps und anderen Ölpflanzen, die entsprechenden Mühlen kosteten nicht viel.

Er kommt bei der Aufzählung von Vorteilen gar nicht aus dem Schwärmen heraus. Neben den niedrigen Spritkosten erhöhe Pflanzenöl die Lebensdauer des Motors, die Fristen für Ölwechsel verlängerten sich, und die teure Entsorgung von Altöl entfalle. Sogar das verbrauchte Öl der Frittenbude an der Ecke kann zum Tanken verwendet werden. Das würde den Literpreis dann auf rund 70 Pfennige drücken. Dann käme wohl nienand an der Innovation vorbei. Vielleicht, so überlegt Heinrich, könnten die aus DDR-Zeiten bekannten Betriebstankstellen sogar wiederbelebt werden: "Die entsprachen meist nicht den bundesdeutschen Sicherheitsbestimmungen. Doch Pflanzenöl ist im Unterschied zum Bio-Diesel, bei dem auf Erdöl nicht verzichtet werden kann, völlig harmlos." Damit werde man sogar unabhängig von teuren Markentankstellen.

Bei so vielen Vorteilen fragt sich der Kunde natürlich, warum die Auto-Industrie die entsprechende Technik nicht schon serienmäßig in die Dieselfahrzeuge einbaut. Doch da winkt der Fachmann aus Zossen ab. Es hätte schon verschiedene Vorstöße gegeben, bisher aber ohne Erfolg. Vor allem eine flächendeckende Versorgung mit Pflanzenöl hielten die großen Konzerne wohl nicht für möglich.

Skeptiker der neuen Technik brauchen sich gerade im Berliner Umland nicht auf die Angaben der Firma Naturpower allein zu verlassen. Schon seit 1998 betankt ein Beelitzer Taxibetrieb seine gesamte Mercedes-Flotte mit Pflanzenöl. Dessen Bilanz fällt sehr positiv aus. Denn Preiserhöhungen an den Tankstellen könnten nun ganz gelassen verfolgt werden, heißt es aus der Spargelstadt.

Deshalb hat auch der stadteigene Bauhof kurz vor Jahresende die Kleintransporter vom Typ Multicar und zwei Pkw-Renault für den Betrieb mit dem naturbelassenem Pflanzenöl umgerüstet. Dafür gab es sogar Fördermittel aus dem Agenda-21-Fonds des Landkreises Potsdam-Mittelmark, der für so genannte nachhaltige Entwicklungen angelegt worden war. Der Beelitzer Bauhof besitzt inzwischen eine eigene Tankstelle für den nach Pommes-Bude riechenden Treibstoff.

Die jetzt mit so viel Eifer verfolgte Rapsöl-Idee hatte schon vor fast zwei Jahrzehnten die Wissenschaftler und Tüftler in der DDR faszniniert. Im Traktorenwerk Schönebeck liefen erfolgversprechende Versuche zur Umrüstung der Motoren. Doch trotz der Rohstoffknappheit in der kleinen Republik kamen diese nicht über erste Prototypen hinaus. Die das Straßembild beherrschenden Trabis, Wartburgs und Ladas fuhren schließlich nicht mit Diesel, und auf den Feldern dominierte der Getreide- und Kartoffelanbau. Da blieb kein Platz für einen großflächigen Rapsanbau.Informationen rund um das Pflanzenöl im Tank erteilt die naturpower Pflanzenöltechnik in 15806 Zossen, Weinberge 26, Telefon 03377 / 30 23 07.

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