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Panorama: Eindeutig zweideutig

Ein republikanischer US-Abgeordneter ist wegen Sex-Mails an Praktikanten zurückgetreten – doch die Affäre wirft viele Fragen auf

Jetzt haben auch die Republikaner ihren Praktikantenskandal. Ihr Abgeordneter Mark Foley, 52, aus Florida hat an minderjährige Schüler, die im Kongress als Büroboten arbeiteten, sexuell eindeutige E-Mails verschickt. Foley trat zurück. Bei der Kongresswahl in einem Monat verlieren die Republikaner einen weiteren sicher geglaubten Sitz. Unter dem Eindruck dieser und anderer Affären drohe die Stimmung vollends gegen Präsident Bushs Partei zu kippen, prognostizieren Kommentatoren. Womöglich werde sie nun die Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses verlieren. Bush sagt, er sei „angewidert“ von Foleys Fehlverhalten.

Doch es ranken sich auch Rätsel um die Affäre. Wieso wird sein Internetsex von 2003 jetzt bekannt – und wer steckt dahinter? Warum wurden frühere Vorwürfe gegen ihn niedergeschlagen? Und wie wurde Foley zum potenziellen Kinderschänder? Er war für das Gegenteil bekannt, hatte Programme zum Schutz misshandelter Kinder eingerichtet.

Widersprüchliches haben die US-Medien in den jüngsten Tagen über Foley zutage gefördert. Er sei der einzige Abgeordnete gewesen, der die jugendlichen Praktikanten ernst genommen, mit ihnen gesprochen und Unterstützung im ungewohnten Alltag in Washington angeboten habe, sagen die einen. Andere berichten, Büroboten hätten seit 1995 vor Foley gewarnt, der verhalte sich so anzüglich. Dessen Anwälte überraschten die Öffentlichkeit am Mittwoch mit der Nachricht, Foley sei als Jugendlicher von einem Priester missbraucht worden. Sie betonen, er habe keine sexuellen Handlungen an Minderjährigen vollzogen, es sei beim E-Mailaustausch geblieben.

In den USA werden Vergleiche zur Affäre Bill Clintons mit der (volljährigen) Praktikantin Monica Lewinsky gezogen. Damals hätten sich die Republikaner als Moralwächter aufgeführt – nun zeige sich, wie hohl diese Pose gewesen sei. Auch Foley war über Clinton hergezogen: Er könne nicht verstehen, wie man wegen des Sexualtriebs alles Wertvolle im Leben wegwerfen könne.

Ans Licht kam auch, dass Eltern eines weiteren 16-Jährigen sich 2005 beschwert hätten, Foley habe ihren Sohn während seines Kongresspraktikums belästigt. Die Republikaner verboten Foley den Zugang zur Internetseite, über die er die anzüglichen Mails verschickt hatte. Eine Klage unterblieb – allerdings auf Bitte der Eltern, die Aufsehen um ihren Sohn vermeiden wollten. Die Demokraten werten den Vorgang als Beleg, dass die Republikaner den Skandal unter den Teppich kehren wollten. Die Partei hätte den Ethikausschuss informieren müssen, in dem beide Parteien vertreten sind. Sie fordern den Rücktritt des mächtigen „Speakers“ Dennis Hastert, eine Art Parlamentspräsident. Chefredakteure von Regionalzeitungen in Florida berichten jedoch, das Belastungsmaterial gegen Foley sei ihnen von Republikanern zugespielt worden. Vielleicht wollten sie den Skandal, wenn er schon unvermeidbar ist, lieber rasch hinter sich bringen.

Für die Bürger ist es schwer, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Die Zeitungen, die bei Skandalen anderer Art alle Details ausbreiten, zitieren nicht den anzüglichen Inhalt der E-Mails. Sie behelfen sich mit den Umschreibungen der Parteien: Die Demokraten sprechen von „eindeutig sexuellem Inhalt“, die Republikaner von „überfreundlichen E-Mails“. Die Inhalte hatten zuerst Blogger ins Internet gestellt, der TV-Sender ABC übernahm sie auf seine Webseite. Foley fordert den Jugendlichen darin auf, gleichzeitig mit ihm zu masturbieren.

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