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Alarmierter Adel. Viele Adelsfamilien schauen auf die Reform, um dramatische Erbfolgestreitigkeiten wie hier in der TV-Erfolgsserie „Downton Abbey“ zu vermeiden. Foto: laif

© Cineliz/AllPix/laif

Panorama: Eine heikle Sache

Skurriles England – die geplante Gleichberechtigung von Frauen in der Thronfolge hat so ihre Tücken.

Den internationalen TV-Hit Downton Abbey und die Geschichte des Earl of Grantham wird der 10th Baron of Braybrooke mit besonderer Anteilnahme verfolgen. Grantham, sein Adelsgenosse in der TV- Serie, hat ein wunderbares Schloss, Bedienstete, viel Land, wenig Geld und drei Töchter, als der als Erbe auserkorene Cousin mit der Titanic untergeht.

Baron Braybrooks Schloss ist denkmalgeschützt und heißt „Audley End“, er besitzt 2500 Hektar Land, hat acht Töchter – und ebenfalls keinen passenden Erben. Und wie 1912 in „Downton Abbey“ können Schloss, Ländereien und Adelstitel auch 2013 in Audley End nur an einen männlichen Erben weitergegeben werden.

Bei den Granthams aus der TV-Serie springt der Birminghamer Rechtsanwalt Matthew Crawley als entfernter Vetter ein und stellt sich zum Glück als filmtauglicher, romantischer Held heraus. Bei den Braybrooks heißt der Vetter vierten Grades Richard Neville, ist 35 Jahre alt und wohnt in Südwest-London über einem Frisiersalon. Dem Earl und seinen Töchtern soll er kaum bekannt sein, auch nicht seiner ältesten Tochter Amanda Murray, die 50 Jahre alt ist und längst die Verwaltung des Landguts übernommen hat.

Nun verfolgen Baron und Töchter neugierig, wie das neue Thronfolgegesetz, die „Royal Succession Bill“ im Parlament verhandelt wird. Dieses Eilgesetz soll dafür sorgen, dass die britische Monarchie mit der Zeit geht und auch ein erstgeborenes Mädchen des Thronfolgerpaares einmal Queen werden kann. Aber wenn die Erbregeln für das Kind der Herzogin von Cambridge, geborene Kate Middleton, geändert werden – warum nicht für die Baronstochter Amanda?

„Höchste Zeit, einen Anachronismus zu ändern, der nicht mehr in die Gesellschaft passt“, mahnte Vizepremier Nick Clegg, als er die Unterhausdebatte eröffnete. Aber bald musste er einräumen, dass er den Baybrooks auch nicht helfen kann. „Das Gesetz betrifft nicht die Vererbung von Adelstiteln“, erklärte er. Nicht einmal an den Erbregeln für die „Duchy of Cornwall“ und die „Duchy of Lancester“ werde man rütteln, zwei Herzogtümer mit riesigen Ländereien, die Heinrich IV. im 16. Jahrhundert für die männlichen Erstgeborenen der Monarchen einsetzte. Denn das wäre dann doch zu kompliziert. Würde also das Mädchen Thronfolgerin und „Prinzessin von Wales“, aber ihr jüngerer Bruder nach altem Brauch die „Duchy of Cornwall“ und ihre umfangreichen Ländereien und Besitztümer erben, fragten Abgeordnete besorgt. Thronfolge und Besitz würden getrennt – und das Vermögen, dass seit Jahrhunderten die Unabhängigkeit des Monarchen von der Staatskasse sichert, zerstreut.

Dass es mit dem Gesetz schwierig werden könnte, ahnte man schon im Oktober 2011, als die Gleichberechtigung männlicher und weiblicher Erstgeborener in der „Perth-Erklärung“ der elf Länder vereinbart wurde, in denen die Queen Staatsoberhaupt ist. Sie alle müssen mit Verfassungsänderungen mitziehen. In Großbritannien müssen mindestens ein halbes Dutzend Gesetze geändert werden, bis hin zum Hochverratsgesetz von 1351, in dem nur die Ermordung eines männlichen Monarchenkindes als Hochverrat definiert ist. Aber die größten Probleme hat man mit dem Plan, gleichzeitig mit der Diskriminierung weiblicher Erstgeborener auch das Verbot für den Thronfolger abzuschaffen, einen Katholiken zu heiraten – die freie Partnerwahl ist schließlich ein Menschenrecht. Diese Bestimmung soll sicherstellen, dass die britische Krone, die sich 1534 unter Heinrich VIII. vom Papsttum lossagte, nie wieder von Rom kontrolliert oder an Europas katholischen Dynastien wie die Habsburger fallen könnte.

Prinz Charles wies als Erster auf Widersprüche hin – obwohl er sicher nichts gegen weibliche Monarchen hat. Die drei besten Monarchen Englands, die beiden Elizabeths und Viktoria, waren Frauen. Aber was, wenn das älteste Kind von William und Catherine sich tatsächlich in einen Katholiken verliebt? König Williams Enkel müsste katholisch erzogen werden, wie es der Vatikan für Mischehen vorschreibt. Würde dann eines Tages doch ein Katholik den Thron besteigen und Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche werden?

„Wenn man an alten Sitten und Gesetzen herumbastelt, die Jahrhunderte zurückgehen, muss man alle möglichen Konsequenzen bedenken“, mahnte der Historiker Andrew Roberts im „Daily Telegraph“. Er findet, dass die „politische Korrektheit“ zu weit geht. Schließlich diskriminieren die Regeln nicht nur Frauen, Katholiken und Zweitgeborene, sondern alle, die zufälligerweise nicht in die Königsfamilie geboren wurden – „99,9999 Prozent der Bevölkerung“. Müsste nicht endlich einmal jemand die hochbetagte Queen mit ihrem Arbeitspensum an die europäischen Arbeitszeitrichtlinie erinnern? Und, fragt Roberts, darf der nächste Monarch bei der Krönung drei Stunden lang die „39 Unzen“ (1,1 Kilo) schwere Staatskrone tragen ohne gegen die Gesundheitsrichtlinien am Arbeitsplatz zu verstoßen? „Die Monarchie ist kein normaler Beamtenjob. Es sind die archaischen Bestimmungen, die ihre Stärke ausmachen, sie reflektieren Geschichte und Tradition, nicht die vorübergehenden Moden des 21. Jahrhunderts“.

Während Traditionalist Roberts sich Sorgen macht, hat der republikanisch gesinnte Labourabgeordnete Paul Flynn seinen Spaß mit dem Gesetz. Er beantragt, das Thronfolgegesetz gleich zukunftssicher zu machen und dem Thronerben auch die gleichgeschlechtliche Ehe und Kinder durch künstliche Befruchtung zu erlauben. Flynn stellte auch einen Antrag, der alles einfacher machen würde: Den nächsten Monarchen einfach „per Referendum“ zu wählen.

Englische Gesetzgeber sind findig, das Gesetz wird durchkommen. Amanda Murray, der Tochter des Barons ohne Erben, wird es aber nichts nützen. Nicht einmal ein Überspringen einer Generation, die Vererbung vom 10. Baron Braybrook direkt auf seinen Enkel, Amandas 20-jährigen Sohn, ist gesetzlich möglich.

Vielleicht hat das aber sein Gutes. Erbstreitigkeiten, Nachfolgekriege, die Manöver, mit denen Adelsvermögen und eine würdige Erblinie zusammengehalten wurden, bereichern Englands Geschichte und Literatur seit Jahrhunderten. Kriege, Hinrichtungen und Morde, Schauspiele und Romane, Tragödien und Komödien. Heinrich VIII. und seine Frauen, die Abdankung von Edward VIII., dessen „Abdankungsgesetz“ 1936 in einer Minute durchs Unterhaus gepeitscht wurde; Shakespeares Historiendramen, Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ mit den fünf Bennett-Töchtern, und nun als neuester Hit die endlos spannenden Verwicklungen von Downton Abbey. Müssen wir wirklich darauf verzichten?

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