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Panorama: Eine Sache von Gewicht

Die Model-Show von Heidi Klum hat eine Debatte ausgelöst. Wird Magersucht zum Statussymbol?

Von Andreas Oswald

Wie schön ist dünn? Die Model-Show von Heidi Klum bei Pro 7 hat eine Kontroverse ausgelöst. Darf das Fernsehen einen Schlankheitswahn propagieren, der nach Auffassung der Mediziner schwere gesundheitliche Folgen hat? In der Show, die jeweils am Mittwoch um 20 Uhr 15 ausgestrahlt wird, soll Deutschlands neues Supermodel ausgesucht werden. In der ersten Sendung letzte Woche flog unter den Bewerberinnen eine Frau raus, weil sie „zu dick“ war. Irina ist 1 Meter 76 groß und wiegt 52 Kilogramm. Zu dick? „Das fällt in den Magersuchtbereich“, sagt Manfred Fichter, Ärztlicher Direktor an der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee.

Andere Teilnehmerinnen der Show haben öffentlich bekannt, dass sie unter Essstörungen leiden. Ist es plötzlich ein Statussymbol, magersüchtig zu sein? Muss ein Mädchen unter Essstörungen leiden, um dabei sein zu dürfen? Wird Magersucht chic? „Diäten sind chic“, sagt Ernst Pfeiffer von der Charité-Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. „Essstörungen nehmen deutlich bei den jungen Mädchen zu, bei den zwölf- bis 15-Jährigen“, sagt der Mediziner. Aus der Debatte um die Sendung müsse man vor allem eine Warnung ziehen: „Lasst den Diätquatsch, wenn Ihr normalgewichtig seid.“ Diäten seien zwar nicht die Ursache der Magersucht, Diäten könnten aber bei Mädchen, die ein Risiko in sich tragen, der Auslöser für Essstörungen sein. Kann eine Fernsehsendung Störungen verursachen? „Mädchen werden durch alles gefährdet, das Schlankheit propagiert“, sagt Fichter. Seine Station für Essstörungen am Chiemsee, sie war die erste in Deutschland, begann 1985 mit 37 Betten. „Heute haben wir 130 Betten“, sagt Fichter. Er bezeichnet es als „krasse Pointe“, wenn in einer Fernsehsendung „zu dicke“ Frauen rausfliegen, deren Gewicht im Magersuchtsbereich liegt. Eine solche Sendung propagiere eine Magersucht, die in jedem Fall schädlich sei. Die Gesundheitsschäden bleiben zunächst unter der schönen Fassade verborgen: Kreislaufstörungen, Nierenschäden, brüchige Knochen, Unfruchtbarkeit. Auch das Gehirn kann in Mitleidenschaft gezogen werden. In extremen Fällen können Magersüchtige sterben.

3,48 Millionen Zuschauer haben die erste Show von „Germany’s Next Topmodel“ am vergangenen Mittwoch gesehen. Sollte diese Sendung abgesetzt werden, wie die Kampagne einer Boulevardzeitung nahe legt? Schlankheitskonkurrenz unter Mädchen gab es schon vor dieser Show. Alle Frauenzeitschriften sind voll von Models, die untergewichtig sind oder aussehen. Auf den Dancefloors der Clubs zeigen sich viele extrem dünne Tänzerinnen, die genau zu wissen scheinen, welche Schönheitsvorzüge sie stolz präsentieren können.

Wenn sich Mädchen bei einer Modelagentur bewerben, dann schaut diese zuerst auf die Fotos und die Körpermaße. Ist eine Kandidatin „zu dick“, fliegt die Mappe in den Papierkorb. In der Fernsehshow wird öffentlich gemacht, nach welchen Kriterien geurteilt wird – und die Teilnehmerinnen wissen das.

Sie wissen aber vielleicht noch nicht, was Wissenschaftler herausgefunden haben: Hungern macht hässlich. Wer zu wenig Kalzium, Eisen, Zink und Vitamin B zu sich nimmt, lässt seine schöne Haut schneller altern. In schlimmen Fällen fallen die Haare aus.

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