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Panorama: Eine unheimliche Verwandlung

Sucht nach Schönheit, Sucht nach Luxus: Die Society-Lady Tatjana Gsell soll ihren Mann auf dem Gewissen haben

„Mein Leben kommt mir vor wie ein gläserner Fahrstuhl, der hoch- und runterfährt“, bekannte Tatjana Gsell noch vor wenigen Wochen in „Bunte“. Seit vergangenem Donnerstag rast der Aufzug nur nach unten. Die extrovertierte Ehefrau des mittlerweile verstorbenen Schönheitschirurgen Franz Gsell sitzt in Nürnberg in Untersuchungshaft. Sie wird verdächtigt, einen todbringenden Raubüberfall auf ihren Mann in Auftrag gegeben zu haben. Eine Zelle von vier mal zwei Metern ist vorerst das Zuhause der ehemals dunkelhaarigen Blondine, die als partyfreudige Society-Lady Ruhm errungen hat. Für eine Frau, die bislang ein Luxus-Leben mit Reisen, Angestellten und teuren Autos geführt hatte, muss die Situation erniedrigend sein.

18 Jahre alt ist Tanja Gick, Tochter eines Fahrlehrers in Bamberg, als sie den 45 Jahre älteren Franz Gsell kennen lernt. Sie arbeitet als Arzthelferin in der Klinik des Promi-Arztes für plastische Chirurgie, wo sich solvente Schickeria-Schönheiten und sogar eine „Baywatch“-Nixe aus Hollywood rundum erneuern lassen. Aus dem Arbeitsverhältnis wird ein Liebesverhältnis, sie heiraten 1995. Für Gsell ist es die zweite Ehe, Tanja Gick nennt sich jetzt Tatjana Gsell. Mit schnellen Autos, teuren Designer-Outfits und Juwelen setzt sich die junge, lebenslustige Neu-Jetsetterin in Szene. Das unterschiedliche Paar liefert fortan jede Menge Stoff für die Klatschspalten der Boulevardpresse.

Ihr Mann habe sie „innerlich und äußerlich geprägt und verändert“, vertraute Tatjana Gsell der „Bunten" an. Sie selbst war die treueste Patientin des bundesweit bekannten „Busendoktors“. In der bodenständigen Nürnberger High Society, zu der Tatjana Gsell so gerne dazu gehören wollte, spielte sie eine Außenseiterrolle. Sie tingelte zwischen Marbella und der Frankenstadt hin und her, defilierte auf Modenschauen, trat in Talkshows auf, zeigte sich auf Empfängen neben Prominenten, war einer der Stars der Internetseite „Geile Luder“, neben Katie Price und Verona Feldbusch.

Sucht nach Geld, Sucht nach Luxus, Sucht nach Schönheit wurden Tatjana Gsell nachgesagt. Anfang 2002 machte Tatjana Gsells Verhältnis mit dem verheirateten Düsseldorfer Autohändler Helmut Becker die Runde. Beide äußerten sich darüber ausführlich in Interviews, sprachen von ihren Plänen, in Marbella einen Club für Superreiche einrichten zu wollen. Allerdings liefen Beckers Geschäfte mit Luxusautos zunehmend schlecht. Im März 2002 musste er für Teile seines Unternehmens Insolvenz anmelden. Tatjana Gsell dagegen gab weiter das Geld ihres gehörnten Ehemannes mit vollen Händen aus.

In der Boulevardpresse tauchten Spekulationen auf, Franz Gsell habe seiner Frau Ende 2002 gedroht, „den Geldhahn zuzudrehen“, falls sie nicht zu ihm zurückkehre.

Erst als Franz Gsell im Sterben lag, soll sich Tatjana Gsell von ihrem Autohändler-Freund Helmut Becker getrennt haben. Zwei Unbekannte hatten den Nürnberger Arzt in der Nacht des 5. Januar in seinem Bungalow im Nobelviertel Erlenstegen überfallen. Sie umwickelten Gsells Kopf mit Klebeband und versetzten ihm mehrere Hiebe mit der stumpfen Seite einer Axt, dann flohen sie mit 5000 Euro Bargeld und einer wertvollen Armbanduhr. Der Schwerverletzte konnte noch selbst die Polizei alarmieren. Am 26. März starb Franz Gsell an den Folgen des Überfalls. „Begrenzt ist das Leben – doch unendlich meine Liebe zu dir“, verkündete seine Witwe in der an Ostern erschienenen Todesanzeige.

Sie gilt als Alleinerbin

Bereits am 11. April wurde Haftbefehl gegen sie erlassen, nachdem die Polizei Telefongespräche abgehört hatte. Der Name Tatjana Gsell tauchte im Fahndungscomputer auf. Eine banale Polizeikontrolle brachte die Society-Lady dann am vergangenen Donnerstag hinter Gitter: Einem Beamten war in Erlenstegen ein Landrover aufgefallen, dessen Fahrerin ohne Freisprechanlage telefonierte. Wo sich Tatjana Gsell bis zu ihrer Festnahme aufgehalten hat, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Zunächst wurde die 31-Jährige im Beisein ihres Berliner Anwaltes gut drei Stunden vernommen.

Noch kürzlich hatte der mit rechtlichen Schritten gedroht, falls der Verdacht gegen seine Mandantin öffentlich geäußert würde. Bereitwillig habe sie Rede und Antwort gestanden, die Vorwürfe aber vehement bestritten, sagte der Nürnberger Justizsprecher Bernhard Wankel. Die Richterin hielt den Haftbefehl wegen Anstiftung zum Raub mit Todesfolge aufrecht. „Die Beweise sind so stichhaltig, dass sie trotz Leugnen weiterhin dringend verdächtig ist und wegen akuter Fluchtgefahr in Untersuchungshaft bleibt“, so Justizsprecher Wankel. Auf Anstiftung zum Raub mit Todesfolge stehen mindestens zehn Jahre Haft – der Anstifter wird genauso bestraft wie die Täter. Franz Gsell hinterließ keine Kinder, im Moment gilt Tatjana Gsell als Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes, dessen Vermögen auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt wird.

Senta Krasser[München]

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