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Flocke

© ddp

Eisbären-Rallye: Flocke soll es Berlin zeigen

Heute will Nürnberg mit der Präsentation seiner Eisbärin die ganze Welt beeindrucken – und Knut.

In Deutschland bahnt sich ein Kampf unter Tierfreunden an. Die einen halten dem Berliner Eisbären Knut die Treue, weil er trotz seiner jugendlichen Leibesgröße immer noch so putzig-unbeholfen mit seinem Jutesack spielt. Die anderen haben, wie beispielsweise in einer Münchener Polizeibehörde, auf den Postern des Berliner Klimabären an den Bürowänden das Wort Knut durchgestrichen und „Flocke“ drübergeschrieben. Alles klar zur Knut-Manie Nummer zwei: Mehr als 350 Journalisten, Fotoreporter und Kamerateams haben sich angemeldet: Heute soll Flocke erstmals offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt werden – vorerst nur den Medien. Am morgigen Mittwoch dann sollen bis zu 25 000 Besucher in den Nürnberger Tiergarten strömen zum „Public Viewing“ mit Verfolgerkameras im Gehege, riesigen Übertragungsleinwänden und Zuschauertribünen.

So einen Aufwand gab es in Berlin bei der Knut-Premiere vor gut einem Jahr nicht. Die Eisbären-Manie in der Bundesrepublik scheint ihren Höhepunkt wohl noch vor sich zu haben. „Da wirst ja narrisch, die machen ein Theater, als ob es noch nie einen anderen Eisbären gegeben hätte“, meint Waldemar Schertel aus Pfaffenhofen im Bayerischen. Seitdem das Eisbärmädchen am 10. Dezember 2007 das Licht der Welt erblickte, machen Verlage, Fernsehgesellschaften und Radiostationen gute Geschäfte mit Berichten und Bildern des ebenfalls handaufgezogenen Eisbären. „Nur die Kommunalwahlen haben die Geschichte mal kurz verdrängt“, sagt Schertel.

Die heutige Pressepräsentation haben Stadt und Tiergarten generalstabsmäßig durchgeplant. In einem leerstehenden ehemaligen Hotel wurde ein Pressezentrum eingerichtet. „Für Fotografen haben wir eine drei Meter tiefe Zone direkt am Gehege geschaffen, die acht Presenter-Plätze für Fernsehteams werden vom Presseamt gemanagt“, sagt Nürnbergs Pressesprecher Siegfried Zelnhefer. Alle großen TV-Sender widmen dem 19-Kilo-Bärchen heute Sondersendungen. Auch Teams von CNN und dem japanischen Sender Fuji-TV bringen sich vorm Gehege in Positur. Mit Häusern wie dem Intercityhotel stellte die Congress- und Tourismuszentrale Nürnberg Zimmerpools für die Gratisunterbringung von Journalisten bereit. Es wurde ein spezieller Presseeingang nahe dem Flocke-Gehege eröffnet – und der öffentliche Nahverkehr, das Verkehrswegeleitsystem sowie die Parkplatzsituation wurden dem erwarteten Besucherstrom angepasst. Während die einen sich abwenden, seufzen die anderen immer noch auf beim Anblick putziger Bärenbabys.

Unterdessen nutzt Nürnberg das Zootier zur Steigerung der Erlöse – und zur Profilierung im Städtemarketing. So klebten die Nürnberger – nicht gerade zur Freude des Tiergartens selbst – grellpinke Plakate mit einem Bild von Flocke und der Unterschrift: „Knut war gestern“. Die Stadtreklame Nürnberg GmbH unterstützt das Werbeprojekt an 550 Haltestellen von Bussen und Bahnen als Sponsor. Die 600 Plakat-Sonderdrucke – Stückpreis 10 Euro – sind längst vergriffen .

Doch in Sachen Image wirken genau diese Plakate bei einigen Leuten äußerst kontraproduktiv. Im Internet-Gästebuch der städtischen Flocke-Webseite mehren sich hitzige Einträge von Tierfreunden, die die Herabsetzung von Berlins Knut beklagen. Andere wiederum loben die Werbekampagne als Ausdrucks eines neuen Selbstbewusstseins der Stadt. „Ich hab so etwas wie jetzt jedenfalls noch nie erlebt, die Stadt ist ja vom Typ her eigentlich nicht so protzig“, sagt eine Nürnberger Wahl-Berlinerin. Die Haupstadtwerber von der Berlin Tourismus Marketing sehen den tierischen Konkurrenzkampf sportlich: „Von uns aus soll jede Stadt ihren Knut haben, wir waren wie immer die ersten.“

Annette Kögel

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