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Panorama: Eisige Zeiten

Britische Forscher haben entdeckt, dass sich der Golfstrom dramatisch verlangsamt hat – wegen der Klimaerwärmung

Die Nachricht war alarmierend. Forscher des Ozeanographischen Instituts der Universität von Southampton haben herausgefunden, dass sich der Golfstrom deutlich verlangsamt und seit 1998 ein Drittel seines damaligen Volumens verloren hat. Der Golfstrom ist die Ursache dafür, dass weite Teile Europas warm und sehr fruchtbar sind. Bekommen wir jetzt eine neue Eiszeit?

Die Forscher haben ihre Ergebnisse in dem britischen Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht. „Ein Alarmzeichen für die Politik kann man das schon nennen“, sagt Detlef Quadfasel vom Institut für Meereskunde der Hamburger Universität. Verändern steigende Temperaturen auf dem Globus die Wasserströme im Meer, könnte die Klimaänderung auch die Warmwasserheizung Europas ausfallen lassen, warnen schon seit längerem die Klimamodelle der Forscher.

Um dem Westen und Norden Europas die gewohnten angenehmen Temperaturen zu bescheren, braucht es paradoxerweise die Kälte des Eispanzers, der Grönland bedeckt. Die kalten Winde von diesen Gletschern kühlen das Wasser des Eismeeres kräftig ab. Kaltes Wasser aber ist schwerer als warmes Wasser und sinkt in die Tiefe. Riesige eiskalte Wassermengen sacken nach unten und wandern langsam nach Süden. Nach einer langen Reise quillt das Tiefenwasser in die Höhe und fließt als Oberflächenwasser wieder nach Norden. In Äquatornähe und am Golf von Mexiko wird es aufgeheizt. Dabei kann es in den tropischen Regionen zunächst kreisen und sich weiter aufheizen, bis ein Teil des Wassers als mächtiger Warmwasserstrom aus dem Golf von Mexiko heraus wieder nach Norden aufbricht und Westeuropa aufheizt. Dieser Zug nach Norden wird landläufig als Golfstrom bezeichnet. Forscher nennen ihn Nordatlantikstrom. Während er an der Westküste Großbritanniens Palmen wachsen lässt, beginnen auf gleicher Höhe auf der anderen Seite des Atlantiks in Kanada die Kältesteppen.

Die Warmwasserheizung aber kann ausfallen, signalisieren die Klimamodelle den Forschern. Denn je weniger Salz in der Nähe von Grönland im Wasser gelöst ist, umso weniger kann es abkühlen. Damit sinkt es langsamer oder gar nicht mehr in die Tiefe. Das ist in der Eiszeit passiert, weil damals das Süßwasser schmelzender Gletscher das Salzwasser des Eismeeres verdünnte. Im Prinzip könnte Ähnliches in Zukunft wieder passieren, sagen die Klimaforscher schon seit einigen Jahren und stützen ihre Vermutung auf Computermodelle. Die behaupten, steigende Temperaturen ließen mehr Wasser aus den Ozeanen verdampfen und lieferten so mehr Wolken und Niederschlag in das Eismeer. Regen- und Schneefälle aber verringern den Salzgehalt genauso effektiv wie schmelzendes Gletschereis.

So weit die Theorie, in der Praxis aber wusste bisher niemand, ob der Tiefenwasserstrom schwächer wird. Bis Harry Bryden und seine Kollegen vom britischen Nationalen Ozeanzentrum in Southhampton zwischen den Bahamas und der Sahara auf dem 25. Breitengrad im Jahr 2004 nachgemessen haben, wie viel Wasser dort in verschiedenen Tiefen durch den Atlantik strömt. Als sie diese Daten mit anderen Messungen aus den Jahren 1957, 1981, 1992 und 1998 verglichen, fanden sie erst einmal das anscheinend beruhigende Ergebnis, dass der Golfstrom sich kaum verändert hat. In 3000 bis 5000 Meter Tiefe aber hatte sich der Kaltwasserstrom vom nördlichen Eismeer nach Süden praktisch halbiert. Insgesamt wälzt der Nordatlantik heute 30 Prozent weniger Wasser um als noch 1957, rechnen die Autoren aus.

Sicher ist: Die Klimaerwärmung hat den Tiefenwasserstrom aus dem Eismeer bereits erheblich geschwächt.

Nach Angaben des Nordatlantikspezialisten Detlef Quadfasel sprechen verschiedene Indizien gegen einen Totalausfall des wärmenden Golfstroms. Aber die abgeschwächten Tiefenströmungen seien ein deutliches Warnsignal an die Politik. Wenn die gegenwärtige Tendenz anhalte, könne die Durchschnittstemperatur in Nordwesteuropa innerhalb des kommenden Jahrzehnts um rund vier Grad Celsius sinken, erläuterte Meric Srokosz vom britischen Umweltinstitut, das die Studie begleitete. Den betroffenen Ländern könne dies extrem kalte Winter bescheren.

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