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Entführungsfall: Presse gelangt an vertrauliche Kampusch-Aussagen

Im Entführungsfall Natascha Kampusch sind möglicherweise Auszüge aus vertraulichen Gesprächen der Polizei mit der freigekommenen 18-Jährigen an die Presse weitergegeben worden.

Wien - Das österreichische Wochenmagazin "News" werde unter dem Titel "Das Protokoll des Leidens" angebliche Aussagen von Kampusch abdrucken, berichtete die österreichische Nachrichtenagentur APA. Die Zitate stammten demnach offenbar aus vertraulichen Polizeibefragungen, in der Kampusch den Tag ihrer Entführung und das Zusammenleben mit ihrem Kidnapper Wolfgang Priklopil geschildert habe. Der Vorgang stieß bei Kampuschs Betreuer-Team auf heftige Kritik. Der Psychiater Max Friedrich warnte vor einer "möglichen Re-Traumatisierung des Opfers" und wollte in der Angelegenheit noch am Donnerstag ein Gespräch mit Österreichs Innenministerin Liese Prokop führen.

Österreichs Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Herwig Haidinger, zeigte sich angesichts der möglichen Weitergabe vertraulicher Polizeiinformationen an die Presse erschüttert: "Das darf nicht sein", sagte er laut APA. Er wolle den "News"-Artikel prüfen lassen. Sollte ein Amtsgeheimnis verletzt worden sein, würden disziplinarische Maßnahmen ergriffen.

Mutter appelliert an Presse

Kampuschs Mutter, Brigitta Sirny, richtete laut APA einen eindringlichen Appell an die Medien, ihre Tochter sowie die gesamte Familie "sofort in Ruhe zu lassen". "Es freut mich natürlich, dass ganz Österreich Anteil nimmt", sagte Sirny. In den vergangenen Tagen sei die Familie jedoch "von einzelnen Medienvertretern distanzlos bedrängt" worden. "Der ganze Rummel wird mir und uns allen zu viel", sagte Sirny weiter und kündigte an, keine Interviews mehr zu geben, bis ihre Tochter bereit sei, selbst öffentlich über ihr Schicksal zu sprechen.

Der Kinder- und Jugendpsychiater Ernst Berger, der zu Kampusch Betreuerteam gehört, kritisierte laut APA die mangelnde Sensibilität mancher Medien: "Das Verständnis ist in spektakulären Fällen bei einigen nicht da." Verbrechensopfer wie Kampusch würden "instrumentalisiert", um "die Auflage zu steigern". Bergers Kollege Friedrich erinnerte daran, dass die Entführung Kampusch nachhaltig beeinflussen werde: "Vergessen wird sie ihr Trauma nicht. Wenn alles gut geht, wird ihr Zustand gelindert."

"Distanzierte Haltung" zu den Eltern

Die Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits aus Kampuschs Betreuerteam sagte laut APA, die junge Frau werde voraussichtlich erst in den kommenden Wochen oder Monaten entscheiden, ob und wann sie zu ihrer Familie zurückkehre. Zu ihren Eltern habe die 18-Jährige derzeit eine "distanzierte Haltung"; mit der Mutter telefoniere sie regelmäßig, zum Vater habe sie momentan keinerlei Kontakt. (tso/AFP)

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