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Entwarnung: Ostseestrände frei von Blaualgen

Kühle Witterung und günstige Strömung: Der Badespaß bleibt ungetrübt, die Blaualgen erreichen die Ostseestrände bislang nicht.

Rettungsschwimmer Maik Grotsch hat einen Arbeitsplatz mit traumhafter Aussicht: Über den weißen Strand schaut er aufs Meer.  Ostsee, so weit das Auge blicken kann. Der Hauptturm der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft in Binz auf der Insel Rügen steht knapp 40 Meter von der Wasserkante entfernt. „Heute ist das Wasser ruhiger als der Wannsee“, plauderte er munter. „Und kristallklar“, sagt er mit Nachdruck. Nicht ohne Grund, schließlich hat er die Meldungen gehört, die in den vergangenen Tagen für einige Unruhe sorgten.

Satellitenbilder zeigen einen riesigen Algen-Teppich, der auf der mittleren Ostsee treibt. Nach Angaben des Umweltverbandes WWF breitet er sich von Finnland bis zur Pommerschen Bucht vor Rügen aus und ist der größte, der seit 2005 im Binnenmeer gesichtet wurde. Auch in Randgewässern der Ostsee wie Achterwasser und Peenestrom bei Usedom waren verstärkt Blaualgen aufgetaucht. Ebenso in der Müritz, dem größten See innerhalb Deutschlands. Badestellen waren aber nicht betroffen. „Wir haben rund 500 Badestellen in Mecklenburg-Vorpommern“, sagt Anja Neutzling vom Landesamt für Gesundheit und Soziales in Rostock. „An allen kann man momentan gefahrlos baden“, verspricht sie. Für die Ostseeküste seien derzeit noch nicht einmal Warnhinweise nötig. Im Übrigen, beruhigt sie, gebe es jedes Jahr Satellitenbilder, die ausgedehnte Algenfelder zeigen. Ich habe mal als Kind einen Blaualgenteppich an der Ostseeküste erlebt. Das sieht aus wie Entengrütze und stinkt. Da geht man einfach nicht ins Wasser. Am nächsten Tag war er weg. Da reicht es manchmal, dass sich der Wind dreht“. Die Gesundheitsämter seien aber sensibilisiert. Wenn sich die Lage ändern sollte, geben sie den Gemeindeverwaltungen in den Ferienorten Bescheid. Da könnten auch die Urlauber jederzeit nachfragen. Wer dennoch mit den giftigen Cyanobakterien in Berührung komme, müsse mit Hautreizungen rechnen und, wer Meerwasser mit den Mikroorganismen verschluckt, mit Durchfall.

Die uralten Lebewesen tummeln sich nach Expertenansicht schon Milliarden von Jahren auf der Erde. Bestimmte Blaualgen-Arten können aber offenbar auch Gifte produzieren, die schwerere Gesundheitsschäden verursachen. Dass sich die Algen in diesem Jahr explosionsartig ausbreiten, hat nach Ansicht des Umweltverbandes WWF Gründe: anhaltende Hitze, wenig Wind und der hohe Nährstoffgehalt der Ostsee vor allem. Das bestätigt auch Klaus Jürgens vom Institut für Ostseeforschung in Rostock-Warnemünde. Das Problem einer dichteren Algenblüte sei seit den sechziger, siebziger Jahren bekannt und eine Ursache hausgemacht: „Die hohe Phosphat-Belastung durch Überdüngung in der Landwirtschaft“, sagt der Mikrobiologe. Stärkeres Algenwachstum, weniger Sauerstoff – letztendlich sei dieser Teufelskreis problematisch für das gesamte Ökosystem Ostsee und den Artenbestand. „Da muss man gegensteuern“, sagt er. Das Landeswassergesetz aber, wie gerade von Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet, bewirke eher das Gegenteil. Landwirte dürfen jetzt bis unmittelbar an den Rand der Gewässer düngen. Über Gräben und Bäche gelangten die Nährstoffe dann bis ins Meer. Der WWF warf den Ostseeanrainer-Staaten insgesamt Halbherzigkeit im Umweltschutz vor und nannte unter anderem als Beispiel Schweden, das die Düngemittelsteuer abgeschafft habe.

Zwischenzeitlich hat das Landesamt für Umwelt, Natur und Geologie (LUNG) ein Beobachtungsschiff in küstennahe Ostseegewässer geschickt, um genaue Daten zu Wachstum und Art der Bakterien zu sammeln. Gestern gab die Behörde vorerst Entwarnung: Messungen hätten keine auffälligen Befunde erbracht, Algenteppiche seien nicht gesichtet und für die Ostsee typische Blaualgen nur in geringer Konzentration gefunden worden. Die Blaualgengefahr für Ostseeurlauber ist geringer als befürchtet, hieß es. Das Schiff hatte Proben rund ein bis drei Seemeilen vor der Küste Hiddensees und Rügens genommen.

Ob in dieser Saison überhaupt Blaualgen an die Strände gespült werden, weiß derzeit wohl niemand. Fest steht, bei ruhigem Wetter und starker Sonneneinstrahlung steigen die Bakterien massenhaft an die Meeresoberfläche. Im Jahr 2005 hatte, wie sich Experten erinnern, jedoch ein Sturm genügt, um die Algen wieder untertauchen zu lassen. Einen Sturm sagt Meteorologin Juliane Pestel von der Wetterstation Meteomedia direkt an der Nordspitze auf der Insel Hiddensee zwar nicht voraus. Aber für den heutigen Samstag kräftigen Wind. Die Luft kühlt sich ein bisschen ab.  Wohl eher schlecht für die Algen. Gut für Urlauber und für Juliane Pestel, die eines mit Rettungsschwimmer Maik Grotsch aus Binz gemeinsam hat - einen beneidenswerten Arbeitsplatz. „Ich war die Woche mehrfach in der Ostsee baden“, sagt die Meteorologin. „Es war traumhaft.“  

Corinna Pfaff[Schwerin]

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