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Panorama: Erdbeben erschüttert Provinz Afyon

Die Szenen aus der zentralanatolischen Provinz Afyon vom Sonntag waren den Türken nur allzu vertraut: Mit Bohrern, Baggern und Schaufeln wühlen sich Rettungstrupps durch meterhohe Schutthaufen, die nur durch die verbogenen Eisenträger und verstreuten Möbeltrümmer als Überreste von Wohnhäusern zu erkennen sind. Mit Notbetten und Infusionsständern wird im Vorgarten eines Krankenhauses unter freiem Himmel eine Erste-Hilfe-Station improvisiert.

Die Szenen aus der zentralanatolischen Provinz Afyon vom Sonntag waren den Türken nur allzu vertraut: Mit Bohrern, Baggern und Schaufeln wühlen sich Rettungstrupps durch meterhohe Schutthaufen, die nur durch die verbogenen Eisenträger und verstreuten Möbeltrümmer als Überreste von Wohnhäusern zu erkennen sind. Mit Notbetten und Infusionsständern wird im Vorgarten eines Krankenhauses unter freiem Himmel eine Erste-Hilfe-Station improvisiert. Soldaten beginnen damit, Zeltstädte für die obdachlos gewordenen Einwohner aufzuschlagen. Hubschrauber kreisen über der Region, um eilig eingeflogenen Politikern einen Überblick über die Lage zu verschaffen.

Immer, immer wieder gibt es diese Szenen in der Türkei - und es wird auch diesmal nicht das letzte Mal gewesen sein. Gerade die Provinz Afyon hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon mehrere Erdbeben erlebt, bei denen hunderte Menschen starben - und dennoch halten die Bauten dort noch immer nicht einmal eine Erdbebenstärke von 6,0 aus, was nach türkischen Maßstäben nicht einmal besonders schwer ist. "Ich kann es nur immer wieder sagen", seufzte der Chef der türkischen Erdbebenwarte, Ahmet Mete Isikara, nach dem neuen Beben am Sonntag: "An jedem Ort in der Türkei kann es jeden Augenblick ein Erdbeben geben. Wir müssen einfach lernen, mit dieser Realität zu leben." Doch die Lehren werden nicht gezogen.

Zwar erntete der Staat am Sonntag viel Lob dafür, dass zumindest die Rettungsarbeiten diesmal reibungslos anliefen: Anders als bei dem verheerenden Beben von Izmit im August 1999, das eine Stärke von 7,4 hatte und mindestens 20 000 Menschen das Leben kostete, war der Katastrophenschutz diesmal sofort zur Stelle und auch mit dem notwendigen Gerät ausgestattet. Ministerpräsident Bülent Ecevit und sein halbes Kabinett tauchten bereits Stunden nach dem morgendlichen Beben im Katastrophengebiet auf; in Izmit hatten sie seinerzeit drei Tage auf sich warten lassen. Das Militär war diesmal gleich im Einsatz, der Rote Halbmond funktionierte, Zelte und Decken lagen in Ankara ausreichend bereit.

Doch höchstens das Krisenmanagement hat sich seit der Katastrophe von 1999 verbessert - und selbst das ist fraglich: Bei einem mittleren Beben in einer relativ dünn besiedelten Gegend rasch zu reagieren, ist noch relativ einfach; die meisten Straßen in Afyon waren am Sonntag befahrbar, die Zahl der eingestürzten Bauten war überschaubar. Ob die Krisenreaktionsfähigkeit des türkischen Staates heutzutage für ein Beben der Stärke 7,0 in der von zwölf Millionen Menschen bewohnten Metropole Istanbul ausreichen würde, bleibt mehr als unwahrscheinlich.

Eine solche Katastrophe könnte wohl kaum ein Staat auf der Welt meistern - doch im Unterschied zu anderen Ländern wird die Türkei es früher oder später müssen, denn ihr Gebiet ist zu 95 Prozent von aktiven Verwerfungslinien durchzogen.

Vorbeugung ist deswegen das oberste Gebot, wie der Erdbebenforscher Isikara seinen Landsleuten immer wieder predigt - doch auf diesem Ohr sind und bleiben die Türken taub. Die am Sonntag heimgesuchte Provinz Afyon zum Beispiel wird immer wieder von Beben erschüttert. Zuletzt starben dort erst 1995 rund 100 Menschen bei einem Beben der Stärke 6,1 - und trotzdem reichten jetzt wieder 6,0 Punkte auf der Richterskala aus, um 80 Häuser einstürzen zu lassen und hunderte Bauten unbewohnbar zu machen.

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