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Panorama: Erdbeben in Marokko – Hunderte Tote

Mehrere Dörfer im Rif-Gebirge zerstört / Einwohner wurden unter ihren Lehmhütten begraben

Madrid. Bei einem schweren Erdbeben im Norden Marokkos sind in der Nacht zum Dienstag hunderte Menschen umgekommen. Bis zum späten Dienstagabend wurden 447 Todesopfer geborgen, viele Bewohner waren aber noch verschüttet. Rund 250 weitere Menschen seien der jüngsten Bilanz zufolge verletzt worden. Von ihnen schwebten etwa 80 in Lebensgefahr. Zudem wurden Tausende obdachlos. Der Erdstoß mit der Stärke 6,5 auf der Richterskala ereignete sich gegen 2 Uhr 30 morgens in der Berberregion der Küstenstadt Al Hoceima, ein beliebter Urlaubsort am Mittelmeer für marokkanische wie europäische Touristen. Im dahinter liegenden Bergland, dem schwer zugänglichen Rif-Gebirge, wurden mehrere Dörfer weitgehend dem Erdboden gleichgemacht. Das Epizentrum des Bebens, das auch in Südspanien spürbar war, lag vor der Küste im Mittelmeer.

Mit am schlimmsten hat es den Bergort Ait Kamara getroffen, rund 15 Kilometer südlich von Al Hoceima. „Das Dorf ist völlig zerstört“, sagte ein Behördensprecher, „es gibt viele Tote.“ 6000 Menschen lebten hier, überwiegend in Lehmhütten, die ihre Einwohner lebend begruben. „Ganze Familien wurden verschüttet.“ Die Menschen im Rif-Gebirge sind arm, wurden jahrzehntelang von der Regierung vernachlässigt, nachdem sie in den 50er Jahren gegen die Monarchie rebelliert hatten. Sie verdienen heute ihr Geld meist mit dem Hanfanbau, die Region ist einer der größten Haschischproduzenten der Welt.

Die Rettungsarbeiten kamen nur mühsam in Gang, weil viele Dörfer im unwegsamen Rif-Gebirge von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten waren. Die Armee versuchte, mit Hubschraubern Helfer und Rettungsmaterialien in die Katastrophenorte zu fliegen. Im Laufe des Dienstags waren immer wieder kleinere Nachbeben zu spüren. Schwere Zerstörungen wurden auch aus den Orten Im Zouren und Tamassint gemeldet.

Die Mehrheit der rund 100 000 Menschen in der Badestadt Al Hoceima kam hingegen mit dem Schrecken davon. Die Gebäude hier sind aus Steinen und Zement gebaut. Allerdings wurden in dem Mittelmeer-Seebad, das vom Tourismus, der Fischerei und dem Drogenschmuggel Richtung Spanien lebt, viele Häuser beschädigt. Über Opfer unter Touristen, die sich in Al Hoceima und an seinen schönen Felsbuchten vor allem in den Sommermonaten drängeln, wurde zunächst nichts bekannt.

Die Krankenhäuser waren mit Verletzten überfüllt. Ein Sprecher des Roten Kreuzes sagte, es müssten Decken, Kleidung, Nahrungsmittel, Trinkwasser und Räumgerät in die Katastrophenzone gebracht werden. Mehrere europäische Staaten sagten Suchtrupps Hilfe zu. Marokkos König Mohammed VI. versprach, „persönlich“ die Rettungsarbeiten zu überwachen.

Ralph Schulze

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