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Panorama: Erst Pusten, dann fahren

Die Niederlande führen für Promillesünder eine spezielle Motorsperre ein

Es waren nur drei kleine Bierchen – so wie sie für Holland typisch sind, in diesen schmalen dünnen Gläsern. Das dürfte keine Schwierigkeiten geben. Zuversichtlich setzt sich der Mann deshalb in sein Auto und greift zu dem kleinen schwarzen Gerät neben dem Steuer, das über ein Kabel mit dem Startmechanismus seines Wagens verbunden ist. Es sieht aus wie ein Handy, funktioniert aber als Wegfahrsperre und ist mit einem kleinen weißen Mundstück ausgestattet. In dieses Plastikteil muss der Mann erst blasen, um sein Auto anspringen zu lassen – genauso wie bei einer Polizei-Alkoholkontrolle. Mit dem Unterschied allerdings, dass er in diesem Falle nicht bis zu 0,5 Promille Alkohol im Blut haben darf, der gesetzlichen Obergrenze auch in den Niederlanden, sondern bloß 0,2 Promille. Was in der Praxis bedeutet, dass er eigentlich nüchtern zu sein hat. Das jedoch, da mochten die drei „biertjes“ noch so klein gewesen sein, ist nicht mehr der Fall. Folge: Sein Auto springt nicht an, auch wenn er es noch so oft versucht. So könnte es Schätzungen zufolge schon bald bis zu 2200 niederländischen Autofahrern pro Jahr ergehen: alles notorische und schwere Trinker, die für das sogenannte „alcoholslot-Programm“ infrage kommen, weil sie mit 1,3 Promille erwischt worden sind – der Grenze, bei der man in den Niederlanden einen Strafprozess bekommt. Ab dem ersten Dezember verdonnert der Richter Verkehrssünder dieser Kategorie nicht mehr nur zu einer Geldbuße oder Haftstrafe, sie müssen darüber hinaus wählen: entweder fünf Jahre lang keinen Führerschein – oder ein Alkoholschloss im Auto.

Schweden hat dieses Schloss bereits 1999 eingeführt, vor zehn Jahren sogar präventiv auch für Lkw, Taxis und Schulbusse. In anderen EU-Ländern ist es bei Experimenten geblieben. Nach einer Testphase machen nun auch die Niederländer ernst. Von den 700 Verkehrstoten, die es dort jedes Jahr gibt, sterben rund 25 Prozent bei durch Alkohol verursachten Unfällen. „Mit dem Alkoholschloss können wir bis zu sechs Menschenleben pro Jahr retten – und die Zahl der Verletzten um 60 senken“, hofft Sprecherin Elif Bagci vom zuständigen Ministerium für Infrastruktur und Umwelt in Den Haag.

Erfinderische Autofahrer machen sich schon jetzt einen Sport daraus, das „alcoholslot“ auszutricksen. Zum Beispiel mit Pressluft aus Sauerstoffflaschen, wie sie Taucher verwenden. Oder mit einem Luftballon, den man aufbläst, bevor man in die Kneipe geht. Ein Fernsehteam machte die Probe aufs Exempel – und scheiterte kläglich. Denn das Alkoholschloss erkennt frisch ausgeatmeten menschlichen Atem, und der muss warm und feucht sein. Bleibt die Möglichkeit, einen anderen blasen zu lassen, um sein Auto anspringen zu lassen – oder einen anderen Wagen zu nehmen. Aber dann besteht das Risiko, bei Verkehrskontrollen aufzufliegen. Außerdem wird der Autofahrer unterwegs dreimal pro Stunde aufgefordert, erneut zu blasen. Das könnte er zwar bleiben lassen, aber das Alkoholschloss merkt sich alle Vorfälle, auch sämtliche vergeblichen Versuche, das Auto anspringen zu lassen. Darüber muss Rechenschaft abgelegt werden. Denn die Niederländer belassen es nicht beim Alkoholschloss allein: Jeder „Teilnehmer“ muss auch zwei Jahre lang die Gruppentherapie „Alkohol & Verkehr“ absolvieren. Darin lernt er alles über die Gefahren von Alkohol und bekommt Einsichten in sein Trinkverhalten.

Für die Kosten – die Therapie kommt auf rund 1000 Euro, das Alkoholschloss auf 1500 – müssen die Verkehrssünder selbst aufkommen. Sie können das „alcoholslot“ bei Bedarf auch mieten. Sollte sich jemand auch das nicht leisten können, so das Ministerium, habe er immer noch die Wahl, fünf Jahre auf den Führerschein zu verzichten.

Kerstin Schweighöfer[Den Haag]

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