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Erster Schultag. Die kleine Lu Siling fährt in der Stadt Shunhe eingezwängt zwischen Mutter und Pult zur Schule.

© AFP

Erster Schultag in China: Das Pult mussten die Kinder mitbringen

In China sind viele Provinzschulen schlecht ausgestattet. Fotos und Berichte über Erstklässler und ihre Mütter, die eigene Schulpulte mitbringen mussten, haben zu Protesten im Internet geführt. Die Behörden mussten reagieren.

Als der kleine Chinese Wang Ziqi seinen ersten Schultag hatte, nahm seine ältere Schwester seinen rosafarbenen Schulranzen in die linke Hand und einen hölzernen Stuhl in die rechte Hand. Seine Großmutter hievte ein 30 Kilogramm schweres Holzpult auf ihren Rücken und marschierte derart beladen mit ihren beiden Enkelkindern auf einem schmalen Pfad Richtung Schule. Obwohl diese nur 100 Meter Luftlinie entfernt liegt, geriet Wang Ziqis Großmutter unter der Last des Pultes schnell in Atemnot.

Wang Ziqis Familie ist nicht die einzige, die am ersten Schultag im Kreis Macheng in der zentralchinesischen Provinz Hubei ihr eigenes Pult zur Schule bringen musste. Wie die chinesische Zeitung „Changjiang Times“ berichtete, schleppten insgesamt 3000 Schüler und ihre Angehörigen alle Arten von Tischen und Stühlen aus ihrem eigenen Haushalt mit. Die Schulen des Landkreises sind so ärmlich ausgestattet, dass sie ihren Schülern noch nicht einmal Tisch und Stuhl bieten können.

Die Zustände in der Provinz Hubei, aus der viele Millionen Wanderarbeiter in die Städte an der Ostküste gezogen sind, zeugen von einer wachsenden Einkommenskluft zwischen Land und Stadt. Besonders drastisch wurde dieser Unterschied auch von dem Erdbeben 2008 in Sichuan vor Augen geführt, als in den Dörfern zahlreiche miserabel gebaute Schulen zusammenbrachen und tausende Schulkinder ums Leben kamen. Reiche Chinesen hingegen investieren tausende Euro in Privatschulen für ihre Kinder. Stabile Schulen und Pulte sind dann inklusive.

Im Kreis Macheng aber musste Lu Silings Mutter das Pult zum Schulbeginn auf ihrem Roller festbinden, ihre Tochter zwischen sich und die ungewöhnliche Last zwängen und 2,4 Kilometer in die Grundschule von Shunhe fahren. Ein frustrierter Großvater sagte der „Changjiang Times“: „Ich hoffe, dass ich das, bevor ich sterbe, nicht mehr mit ansehen muss.“ Sein Wunsch dürfte in Erfüllung gehen.

Denn die über 500 Millionen Nutzer große chinesische Internetgemeinde hatte den Zeitungsbericht und die drastischen Fotos entdeckt – und machte aus ihrer Empörung keinen Hehl. „Trillionen von Dollar werden in ausländischen Banken platziert, und trotzdem gibt es kein Geld, um Schulpulte zu kaufen“, schrieb ein Nutzer des Internetportals Sina. „Ich hätte nie gedacht, dass das im Jahr 2012 möglich ist“, wunderte sich ein anderer. Viele vermuteten, die örtlichen Beamten und Parteimitglieder könnten das Geld für Schulausrüstung in die eigene Tasche gesteckt haben. „Wenn diese Beamten nur ein Dinner weniger ausrichten würden, wären alle diese Probleme gelöst“, schreibt ein User.

Es ist ein immer öfter wiederkehrendes Phänomen in China, dass derartiger öffentlicher Druck im Internet Medienberichterstattung auslöst – und schließlich in großen behördlichen Tatendrang mündet. So auch diesmal.

Am Wochenende meldete die amtliche chinesische Agentur Xinhua: „Nach BringDein-eigenes-Pult-mit-Berichten: Landschulen werden möbliert“. In dem Bericht heißt es, dass die Stadt Macheng plötzlich neun Millionen Yuan (1,1 Millionen Euro) in Renovierungsprojekte an lokalen Schulen investieren wolle. „Örtliche Beamte und kommunistische Parteimitglieder sind aufgefordert worden, ebenfalls Geld zu spenden“, schreibt Xinhua.

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