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Panorama: Es war abzusehen

Baufirmen missachteten Vorgabe, Experten warnten: Bei der Suche nach den Ursachen für den Einsturz des Historischen Archivs in Köln tauchen immer neue Vorwürfe auf.

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) haben jetzt bestätigt, dass sie beim Bau der Nord-Süd-U-Bahn an der Baugrube am Waidmarkt ein anderes Bauverfahren angewendet haben als ursprünglich geplant war. Die KVB bestätigte Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeigers“, wonach die Baufirmen von dem in der Ausschreibung vorgesehenen technischen Verfahren abgewichen sind. Danach hätte der Boden mit sogenannten Hochdruckinjektionen aus Beton stabilisiert und undurchlässig gemacht werden müssen. Von dieser vergleichsweise teuren Vorgehensweise habe man Abstand genommen, nachdem ein Gutachten ergeben habe, dass es genauso sicher sei, Schlitzwände bis in wasserundurchlässige Erdschichten zu treiben und dann das Grundwasser abzupumpen. Am Sonntag hatte Kölns Umweltdezernentin Marlies Bredehorst einräumen müssen, dass wesentlich mehr Pumpen als erlaubt eingesetzt wurden, und auch die abgepumpte Wassermenge mit 740 statt 450 Kubikmetern pro Stunde deutlich über den erlaubten Werten lag. Warum dies weder kontrolliert noch beanstandet wurde, und wer dafür zuständig war, darüber streiten die Stadt Köln und die Bezirksregierung.

Experten gehen davon aus, dass es zu einer Unterspülung der Schlitzwände und einem Grundwassereinbruch gekommen ist und so dem Fundament des Stadtarchivs der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ hat es im September 2008 offenbar Warnungen wegen unsicherer Statikberechnungen bei dem benachbarten U-Bahnprojekt an der Stadtbahnhaltestelle Rathaus gegeben. Dies jedenfalls legt eine 84-seitige Studie des Aachener Hochschul-Instituts für Geotechnik im Bauwesen nahe, die am 30. September 2008 abgeschlossen wurde.

Der Leiter des Aachener Instituts, Professor Martin Ziegler, erklärte am Mittwoch, die in seinem Forschungsvorhaben gewonnenen Erkenntnisse ließen keinerlei konkrete Rückschlüsse auf mögliche Fehler beim Kölner U-Bahn-Bau zu. In der Studie, gefördert vom Deutschen Institut für Bautechnik, ist indes ist mehrfach von dem Kölner Bauvorhaben die Rede.

Aufgrund der „außergewöhnlichen Randbedingungen“ beim U-Bahn-Bau mit einem „sehr heterogenen Baugrund“ und starken „Wasserdruckdifferenzen“ hätten sich „übliche Berechnungsverfahren“ für die schmalen Schlitzwandbaugruben der unterirdischen Haltestellen „als auf der unsicheren Seite liegend“ erwiesen. Dadurch könnten „Situationen entstehen, welche nicht nur wirtschaftliche Schäden mit sich bringen, sondern unter Umständen auch Menschenleben gefährden“, heißt es dem Vernehmen nach weiter in der Studie. Laut Gutachten sei der Bauherr KVB in seiner Ausschreibung davon ausgegangen, dass bei den Schlitzwänden eine Mindesttiefe von zwei Metern in die wasserundurchlässige, sogenannte tertiäre Bodenschicht „ausreichend gewesen wäre“. Als die Gutachter jedoch eine als sicher geltende Methode zur Berechnung anwandten, kamen sie auf eine Mindesttiefe von sechs Metern für die Absicherung gegen einen hydraulischen Grundbruch.

Peter Berger[Köln]

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