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Blau, blau, himmelblau leuchtet die Berliner Küche von Maren Kroymann.

© Kai-Uwe Heinrich

Dinner zu zweit: Maren Kroymanns Küchenlatein

Sie kauft gern Frisches auf dem Markt, kocht vegetarisch – und gönnt sich ab und an ein Würstchen. Ein Dinner zu zweit.

Eine Seele liegt auf dem Tisch: Die knusprige Dinkelstange, mit Kümmel bestreut, eine schwäbische Spezialität aus dem Berliner „Brotgarten“, ist eine Hommage an die Heimat, ein Tribut an den Gast. Denn eigentlich hat die Hausherrin sich das Brotessen längst abgewöhnt. Es bekommt ihr nicht.

Schauspielerin, Sängerin, Kabarettistin, Aktivistin in Sachen Homosexualität – Maren Kroymann kann alles, auch Schwäbisch. Schließlich ist sie in Tübingen aufgewachsen. Wobei die Eltern, beide Berliner, beide Philologen, zu Hause auf Hochdeutsch bestanden. Nur: In der Schule kam das nicht gut an. Wer dort Hochdeutsch sprach, galt als arrogant. „Astrein zweisprachig“ sei sie aufgewachsen, erzählt die 64-Jährige und lacht ihr helles Mädchenlachen, während sie, seit geraumer Weile schon, eine Flasche Sekt zu öffnen versucht. „Meine Finger sind nicht das Intelligenteste an mir.“ Sie schafft es, mit Geduld.

Kochen kann die Schauspielerin ebenfalls, wie sie an diesem Abend in ihrer Charlottenburger Küche demonstriert. Das Essen hat seit jeher eine große Rolle in ihrem Leben gespielt. Als jüngste Schwester von vier großen Brüdern musste sie sehen, dass sie genug abbekam. „Und in meinen Beziehungen war das Kochen immer eine Gemeinsamkeit.“

Ach, und Amerikanisch kann sie auch, ziemlich perfekt, wie man in ihrer aktuellen Show „In My Sixties“ hören kann, mit der sie jetzt wieder im Tipi auftritt. In den 60er Jahren ist sie in Ohio aufs College gegangen, dort, erzählt sie auch auf der Bühne, kam sie sich vor wie im Schlaraffenland: Pizza, die der Bote bis an die Zimmertür brachte! Eiskrem, all you can eat! Und zum Frühstück „three eggs any style“.

Neun Pfund hat sie in ihrem Jahr in Amerika zugelegt. Davon sieht man längst nichts mehr, sehr schlank ist die Kabarettistin. Eine Frage der Disziplin und des Alters. Mit leichtem Bedauern erzählt die Entertainerin, die fünfmal die Woche um den Lietzensee läuft („meine einzige Zeit für mich“), dass sie nicht mehr so zuschlagen kann wie einst. Früher hat sie beim Menu keinen Gang ausgelassen. Aber am interessantesten fand sie damals schon die Antipasti: „Lauter verschiedene Geschmäcker auf dem Teller.“

„Eine Andeutung von Salat“ hat sie zum Auftakt unseres Essens gemacht, der war gar nicht vorgesehen, eigentlich isst sie abends nichts Rohes mehr. Nach ayurvedischen Regeln soll man das nicht, und die Sängerin muss auf ihren Körper achten, er ist ihr Instrument. Aber Maren Kroymann ist keine Dogmatikerin. Auch wenn sie sich „überwiegend vegetarisch“ ernährt – bei Würstchen mit Kartoffelsalat wird sie heute noch schwach. Einer der Gründe, warum sie so gern ins Engelbecken geht, ihr Stammlokal („hinreißend“): weil sie dort den schwäbischen Kartoffelsalat kriegt, den sie auch nach gut 40 Jahren Berlin noch so liebt. Kroymann mag alles was aus der Erde kommt: Rüben, rote Bete, Petersilienwurzeln, Kartoffeln. Und alte Gemüsesorten, „da bin ich archäologisch unterwegs“.

Nudeln mit Tomatensoße und Würstchen, das war eins ihrer Lieblingskinderessen. Wie es damals im Hause Kroymann beim Mittagessen zuging, davon erzählt sie auch in ihrer Show – Punkt halb eins hatten alle am Tisch zu sitzen, „und wenn man zu spät kam, brauchte man eine gute Entschuldigung“.

Aber um Worte war man in der Familie nicht verlegen. Der Vater: Professor für Altphilogie, die Mutter: promovierte Romanistin, die Brüder: so eloquent wie dominant (drei wurden Juristen). Nur die Jüngste musste zusehen, wie sie auch mal zum Zuge kam. „Ich hab gelernt, mit Zwischenrufen Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Vor allem mit komischen.

Nach dem Biospinatsalat mit gerösteten Pinienkernen gibt’s nun Blutwurst ohne Blutwurst. Als junges Mädchen hat sie sich oft Blutwurst gewünscht, wobei es eigentlich die Zwiebeln waren, auf die sie scharf war. Jetzt also Himmel und Erde nach Kroymann’scher Art, zweierlei Kohl (Wirsing und Spitzkohl) mit zweierlei Kümmel (Kümmel und Kreuzkümmel), selbst gemachter Kartoffelstampf, mit Palmzucker karamellisierte Schalotten und in Butter geschmorte Boskopscheiben. „Die Spannung zwischen süß und sauer gefällt mir.“ Das Gemüse ist so kräftig gewürzt, dass man das Fleisch nicht vermisst, auch an der un-ayurvedischen Butter wird nicht gespart.

Während des Fertigkochens unterbricht sie die muntere Unterhaltung, muss sich auf Töpfe und Pfannen konzentrieren. „Da kann man nicht so gut reden – außer mit sich selbst“, was sie auch tut. „Multitasking kann ich nicht.“

Nach dem Hauptgang dann die dicke Suppe. Die Schauspielerin liebt „feuchtwarme Speisen“, wie ein Freund sie taufte – Suppen, geschmortes Gemüse – im Unterschied zu den „nasskalten Speisen“. Was man sich darunter vorzustellen hat? Sauerkrautsalat, Müsli und Bier fallen ihr ein.

Wieder wird neu eingedeckt. Die Schauspielerin hat ein Faible für Besteck und Geschirr, von dem sie „ziemliche Mengen“ besitzt – geerbt, gekauft, gefunden. Spatenbesteck aus der väterlichen Familie, ungewöhnliche Einzelteile, selbst die Hundenäpfe haben was. Und jedes Schüsselchen hat seine Geschichte: Das Brett, auf dem die Seele liegt, ist ein WG-Überbleibsel, die kleine silberne Butterglocke hat ihr eine Freundin aus Frankreich mitgebracht, den runden handschmeichelnden Holzuntersetzer hat ihr ein Freund aus Sri Lanka selbst gemacht. Dort war sie gerade erst wieder, wie jedes Jahr, drei Wochen zur Ayurveda-Kur.

Die Linsensuppe wird im Kohlkopf serviert, einem lebensechten Porzellangebilde, das hat sie mal vom Designer eines ihrer Lieblingshotels geschenkt bekommen, dem Parkhotel in Bremen. Den Fond für den Dhal hat Maren Kroymann selbst angesetzt, das (Bio-)Gemüse dafür auf dem Markt besorgt. Wann immer sie zu Hause ist, geht sie samstags zum Karl-August-Platz um die Ecke, „wenn ich dahin kann, bin ich glücklich“. Und die Brühe hat sie wie üblich kräftig gewürzt, mit Sternanis und Zimt, Kardamom, Ingwer, Chili, Piment, Knoblauch, Zwiebel, mit Nelken gespickt, Fenchel, Senfkörnern und Koriander. Der ist, neben Kreuzkümmel, ihr Lieblingsgewürz.

Wenn sie auf Reisen ist – und das ist sie unentwegt – , kann Maren Kroymann nicht widerstehen, kauft überall Sachen, die sie nicht braucht. Die Platte auf einem Sockel zum Beispiel, auf dem sie den Käse serviert, von Ziege und Schaf, hat sie auf Sylt gefunden, auf einer Tournee. In Thailand geht sie auch in den Supermarkt, um Putzlappen mit grün-rosa Blüten zu kaufen, in New York schlägt sie bei Fish Eddie zu, einem legendären Geschirrladen, da stammen die schweren Teller mit blauem Rand her. Blau, blau, himmelblau, das ist ihre Lieblingsfarbe, von der Serviette über den Kühlschrank bis zur Teekanne.

Als Digestiv gibt es Kräutertee, 35 verschiedene Sorten hat sie in den Schrank gestopft, dazu Macarons von „Arielle“ in leuchtenden Farben, rot, gelb, grün, aber da können wir längst nicht mehr. Das ist ein Überbleibsel aus Großfamilien- und WG-Tagen: dass sie immer zu viel kauft und kocht. Macht nichts, findet Kroymann, im Gegenteil. „Ich liebe Reste, diese Erinnerung an einen Genuss. Das ist wie ein Geschenk: Das Eigentliche war schon, und dann kriegt man noch mal was.“

„Ilse“ steht auf meiner Tasse, die mal die von Mutter Kroymann war. Die hat irgendwann mit dem Kochen aufgehört, das ihr nie besonderen Spaß gemacht hat, mit Ende 70 hat’s ihr gereicht. Danach hat sie sich hauptsächlich von Toast ernährt. Das wird ihrer Tochter kaum passieren. Brot: siehe oben. Nur wenn sie in die alte Heimat fährt, führt an der Brezel kein Weg vorbei. „Die besten gibt’s in Memmingen, die sind ganz zart, ’ne richtige Delikatesse.“

Jetzt fällt sie ins Schwäbische, zitiert Thaddäus Troll, den „Entenklemmer“. Am nächsten Tag ist Probe für eine Hommage an den Schriftsteller. Darauf ist die Schauspielerin stolz, dass sie, zusammen mit Martin Schwab, Peter Sattman und Franziska Walser, bei Alfred Kirchners Abend für den „engagierten Demokraten und depressiven Weltverzweifelten“ mitmachen darf. Bei seiner Beerdigung ließ Thaddäus Troll, der sich das Leben nahm, Trollinger servieren. Wir trinken einen Silvaner auf ihn.

Am 30. März tritt Maren Kroymann mit ihrer Show „In My Sixties“ im Tipi auf. Für die Hommage zu Thaddäus Trolls 100. Geburtstag am 27. März hat die baden-württembergische Landesvertretung in Berlin ein Kontingent für Tagesspiegelleser zurückgelegt, Anmeldung unter antwort@lvtberlin.bwl.de

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