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Goodies. Das Zeug kann man essen!

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Für Schlemmer und Genießer: Mein kulinarisches ABC

Unser Autor kann tagelang nur mit Brühe überleben – um dann eines Abends richtig zuzuschlagen. Von überschätzten Austern bis zu leckerem Ziegenkäse.

AUSTERN

Warum geben Leute dafür hölleviel Geld aus? Zugegeben, optisch sind Austern überzeugend, echt archaisch. Doch ein Bad im Atlantik und ab und an einen Schluck vom Meerwasser schnappen hat denselben Genusseffekt. Wenn schon teuer und Meer, dann Hummer.

BREZEL

Gibt es mittlerweile auch in Berlin an allen Ecken. Die einzig mir bekannte wahrhaftig schwäbische Brezel, die mit den dünnen, knusprigen Ärmchen, wohnt im tiefen West-Berlin (BäckerMann, Südwestkorso 9 und Pariser Straße 20).

CARMEN

Sie hat jede Menge Fans, die sich ständig zitternd fragen: Wie lange macht sie noch? Wird es ab dem Martinstag wieder die unvergleichlich krosse Gans geben? Carmen Krüger, seit der Wende von Gourmet-Magazinen gefeiert, Einzelkämpferin am Herd, die Jeanne d’Arc der Brandenburger Küche, Göttin der Blutwurst und des Zanders oder auch… Ups, klingt jetzt etwas übertrieben? Fahren Sie mit der S-Bahn nach Eichwalde, Bahnhofstraße 9. Ende März macht sie Schluss.

DOSEN

Frische ist gut, bei Gemüse, Obst, Brot, Eiern, Fisch. Doch nichts spricht gegen die guten alten Methoden der Konservierung. Entenconfit, her damit! Dosentomaten, kommet zuhauf! Nichts schöner als eine gut bestückte Vorratskammer. Immer da: Sardinen in Dosen (spezialisiert hat sich Maître Philippe, Emser Str. 42; neu ist die Sardinenbar, Grunewaldstraße 79). Und diverse Dosenwurst. Ich bestelle bei besh.de, da steckt das schwäbisch-hällische Landschwein drin. So überlebt jeder die nächste Berlin-Blockade.

ELSTAR

Ich könnte mein Leben anhand von Apfelsorten erzählen. Es begann mit der Goldparmäne, die grün-gelb-orange-rot in wilden Herbstfarben schillerte. Sie lagerte auf Holzrosten im Keller. Dann gab es Phasen mit Granny Smith, Braeburn, Golden Delicious … Schon länger hänge ich am saftig-säuerlichen Elstar (bei gelegentlichem Fremdessen: Pinova). Doch eins ist klar: Kuchen backen nur mit Boskop!

FENCHEL

Kann es sein, dass diese Knolle unterschätzt wird? Sie ist so vielseitig! Einfach mal probieren: Fenchel in dünne Streifen hobeln, mit Öl/Essig/Salz marinieren. Filets aus einer Orange schneiden und untermischen. Feine Scheiben von Parmesankäse drüber. Knackig, fruchtig, wuchtig.

GELATO

Es gibt so schreckliches Eis, die halbe Stadt ist voll mit schrecklichem Eis, und mein Liebstes residiert ausgerechnet in einer schrecklichen Umgebung, den Potsdamer Platz Arkaden. „Caffè e Gelato“ im ersten Stock. Baccissimo, Pistazie, Walnuss-Feige… – schmelzig und intensiv. Drei Kugeln = ein Mittagessen. Neu und top im eisüberladenen Graefe-Kiez: Gelateria Tosoni, Planufer 92d.

HUMMER

Die tausend Düfte des Orients können einem die Besinnung rauben? Mag sein, wer aber sein Näschen je über die legendäre Hummercremesuppe von Karl Wannemacher gehalten hat, der seufzt ein entrücktes „Ooooh“ und greift zum Löffel (Alt-Luxemburg, Windscheidstraße 31). Der Altmeister der Berliner Kochkunst ist schon deshalb einen Besuch wert. Mein bestes Hummererlebnis: In Maine, kleiner Hafen, lebendes Tier in kochendes … siehe Wallace, David Foster.

IGITT!

Lakritz.

JOGHURT

Wenn ich einen unbekannten Naturjoghurt sehe, wird es probiert. Meist sind sie mir zu kompakt, zu mild, zu fad. Schon länger mein Favorit ist „Landliebe“ mit 3,8 % Fett, cremig, dezent säuerlich, im Glas, also ohne Plastikabfall, gibt’s im Supermarkt. Einfach so verputzen oder mit kleingeschnittenem Obst und Granola. Völlig rätselhaft, warum Menschen Fruchtjoghurt kaufen. Nur fünf Prozent des weltweiten Bedarfs an Erdbeeraroma, las ich, würden von Früchten gedeckt. Die restlichen 95 Prozent sind künstlich produzierte Erdbeerillusion.

KICHERN

... ist lustiger als laut lachen. Kichererbsen aus dem Glas oder der Dose unterm Wasserhahn abspülen, Tomatenstückchen und zerkrümelten Fetakäse untermischen, gehackte Petersilie und Minze drüber, fertig ist der schnellste Salat der Welt. Oh!! Salz, Zitronensaft und Olivenöl vergessen.

LECKER

Lecker sagen ist verboten. Lecker sagen Menschen, die eine Sellerie-Walnuss-Suppe nicht genau beschreiben können. Lecker ist wie „nett“, ein vergiftetes Kompliment. Wer will schon ein netter Mensch sein? Und, habe ich schon mal lecker gesagt? Muss mal nachdenken.

"Wer nochmal nussig sagt, bekommt eine Kopfnuss"

Goodies. Das Zeug kann man essen!
Goodies. Das Zeug kann man essen!

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MEERRETTICH

Unverzichtbar zu gekochtem Fleisch, Räucherlachs, deftiger Vesper. Putzt bei Erkältungen Nase und Hirn frei. Nun aber: Zwei Töpfe auf den Herd, in beiden gleichzeitig ein klassisches Risotto rühren. Einmal kommt Saft (gern auch Stückchen) der Roten Bete beim Kochen dazu, einmal wird am Ende mit Meerrettich (aus dem Glas) gewürzt. Auf dem Teller dann zwei Kleckse, knallrot und weiß, süßlich und scharf! Obendrauf ein gebratenes Stück Fisch. Ein Hammer.

NUSSIG

Um ein kleines Geheimnis zu verraten: „Nussig“ ist die Gourmetvariante von „lecker“. Nussig tönt nach Connaisseur, nach abgespreiztem Finger. Nussig sind Zigarren, Weißwein, Öl, alles ist neuerdings nussig. Wer’s nochmal sagt, bekommt eine Kopfnuss!

OCHSENSCHWANZ

Da braucht es schon Comic-Sprache. WUMMS! Ja, kein anderes Fleisch bringt so viel KRACHBUMM an den Gaumen. Geschmorter Ochsenschwanz schreit nach dem kräftigsten Wein, der im Keller liegt. Wer demnächst nach Rom fährt: In der Enoteca „Cul de Sac“, nahe der Piazza Navona, gibt es beides.

PENNE ALL’ARRABBIATA

Was kannst du jeden Tag essen? Das!

QUALLE

Aussehen tun sie wunderhübsch, zart, wenn sie im Wasser so dahinschweben. An den Strand gespült finden die meisten sie glibbrig, ekelig. Das Zeug soll man essen können? Ich habe mich überwunden und bestellte Qualle als Salat, in der „Long March Canteen“ (Wrangelstr. 20). Schmeckte wie Glasnudeln al dente. Ich wurde zum Wiederholungstäter.

RESTE

Aus hartem Weißbrot werden Semmelknödel. Aus übrig gebliebenen Pellkartoffeln werden Bratkartoffeln. Die wunderbarste Resteverwertung aber heißt „Pasta e patate“ und kommt aus Neapel. Das Rezept steht unter tagesspiegel.de/weltspiegel/essen-trinken.

SPÄTBURGUNDER

Was kannst du jeden Tag trinken? Das! Gehen Sie in einen Weinladen und schauen nach diesen Namen: Phillip Kuhn, Ökonomierat Rebholz, Salwey, Rudolf Fürst, Bernhard Huber, Knipser … (Passt leider nicht zu Penne).

TERRORISTEN

Wer zum Essen eingeladen ist und zu spät kommt (oder viel zu früh).

UNERTL

Ein mehr als leckeres Weizen …, pardon: Weißbier. Die Brauerei macht nix anderes. Gibt’s im „Engelbecken“ am Lietzensee. Dort dazu etwas von der bürgerlichen Küche essen, hier lebt sie seit eh und je.

VESPER

… ist im Süddeutschen eine kalte Mahlzeit. Einfach Dosenwurst auf den Tisch, Brot, saure Gurken, Hartkäse, Radieschen, Senf, Kartoffelsalat, Landjäger. Nun kommt auch der Spätburgunder zum Zug.

WALLACE, DAVID FOSTER

Der Schriftsteller hat den kleinen und verdammt guten Essay „Am Beispiel des Hummers“ verfasst (KiWi-Verlag), nach dieser Lektüre kann kein vernünftiger Mensch mehr Hummer essen. Was mach’ ich nur?

XÄLZ

Der schriftdeutsche Mund redet von Gelee, von Konfitüre, von Marmelade. In Schwaben nimmt man frisches Obst und kocht (gesprochen) „Xsälz“ daraus. Schmeckt auch.

YQUEM

Französischer Süßwein aus dem Bordeaux, nie getrunken. Eine Flasche 2011er kostet bei Lidl online 349 Euro (ja, nicht 3,49 Euro). Stehe trotzdem auf süße Weine, Tipp für Neugierige: Der Rivesaltes „17 ans“ (hat mit Yquem nix zu tun) kostet bei „Passion Vin“ in Kreuzberg (Köpenickerstr. 18-20), gerade mal 16,90 Euro, duftet nussig, nach Trockenfrüchten – jedenfalls ein himmlisches Gesöff.

ZIEGENKÄSE

Wie ein Parmesanlaib im Bonsaiformat sieht der Croûtons de Chèvre aus. Ein Ziegenkäse reicht für zwei dieser simplen wie raffinierten Vorspeisen: Käse halbieren. Zucker im Pfännchen karamellisieren, zwei fingerdicke Apfelscheiben (siehe Elstar) kurz darin wenden. Käsehälfte auf die Apfelscheibe legen, mit etwas Honig beträufeln, Thymianblättchen drüber. Unterm Grill gratinieren. Dazu Weißbrot und ein feinherber Riesling. Brutal lecker!

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