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Gesellschaft: konzentriert Voll

Gemüsebrühe kennen wir nur im Glas oder als Würfel. Doch man kann den Rohstoff auch zu Hause herstellen – ganz ohne Glutamat und Salz. Ein Selbstversuch mit Gebrauchsanleitung.

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Wie das duftet! Ein Weinkorken sorgt dafür, dass die Tür vom Backofen leicht offensteht. Die Feuchtigkeit soll ja entweichen, und der warme Dampf verströmt einen betörenden Geruch, der sich über Stunden in der Küche ausbreitet. Ein Blick aufs Backblech zeigt eine bräunliche Kruste, die nach knusprigem Streuselkuchen aussieht. Noch einmal mit dem Spatel darin herumstochern, um die Masse aufzulockern. Sie ist schon ganz ordentlich getrocknet. Nicht mehr lange, und die selbst gemachte körnige Gemüsebrühe ist fertig, oder jedenfalls: fast fertig. Sie wird später noch mit dem Mörser zerkleinert.

Gekörnte Gemüsebrühe? Hausgemacht?

Ja, das geht. Biologisch. Ohne künstliche Aromen. Ohne Salz. Ohne Hefeextrakt. Ohne Glutamat. Ohne all das eben, was industriell fabrizierten Brühen in der Regel eigen ist. Die Fotografin Sabine Löscher ist auf diese Idee gekommen, vor gut zwei Jahren, als sie an „mentaler Glutamatsvergiftung“ litt, wie sie sagt. Paranoid ist das nicht. Das „Greenpeace Magazin“ zum Thema „Essen“ hat jüngst Geschmacksverstärker auch in Reformhäusern ausgemacht, in Pastagerichten ebenso wie in Eintöpfen, „in den meisten Gemüsebrühen und in vielen Tütensuppen“ – auch in als „bio“ deklarierten. Und selbst wenn etwa Hefeextrakt so ganz natürlich klingt, er „enthält reichlich Glutaminsäure“, so die Warnung der Umweltaktivisten, und die bekomme nicht jedem.

Frau Löscher hat damals einfach losgelegt. Im Internet über gekörnte Brühe geforscht. Sich gefragt: Wie ging’s denn früher, bevor Knorr & Maggi die Supermarktregale füllten? Sie hat dann Gemüse gekauft, geschnippelt, geröstet, mal war das Ergebnis zu feucht, mal war die Temperatur des Ofens zu hoch. Was sie stets dabei faszinierte, war dieser warme, erdige Duft, der ihr in die Nase stieg. Petersilienwurzel, Tomate, Möhre… – irgendwann hatte sie ihre ganz persönliche Mischung beieinander. Und packte das körnige Gemüse in Gläser. Als sie dann sah, wie Kinder immer wieder ihre nassen Finger in das grobe Gemüsepulver steckten, um sie abzulecken, da wusste sie: Das schmeckt verdammt lecker!

Ein Selbstversuch der Tagesspiegel-Redaktion ergab: Die Sache funktioniert. Etwa zwei Stunden dauert das Schälen, Schneiden und Pürieren. Eine Pause empfiehlt sich schon deshalb mal, weil der Pürierstab derart heißläuft, dass man ihn kaum noch halten kann. Rohes Gemüse ist ganz schön hart. Und doch muss es schon anfangs richtig zu Mus gemacht werden, sonst dauert das Trocknen ewig (und richtig trocken muss es sein, der Haltbarkeit wegen). Und noch eine Erkenntnis: Die von Löscher angegebenen drei Kilo Gemüse (siehe Kasten) sind für ein einziges Backblech viel zu viel; es empfiehlt sich, diese Menge auf mindestens drei Bleche zu verteilen – oder beim Testlauf nur ein Drittel einzukaufen.

Am Ende bleibt nicht sehr viel. Das Gewicht von frischem Gemüse zum getrockneten hat ein Verhältnis von etwa 10:1; das kennt jeder, der schon mal getrocknete Steinpilze gekauft hat, sie kosten etwa das Zehnfache der frischen Pilze.

Ganz sklavisch folgt die Fotografin ihrer Rezeptur nicht. Mal gibt es keine Pastinaken, mal sind die Datteltomaten rot, oder jemand liebt Sellerie besonders und nimmt mehr davon. Liebstöckel könnte man dazugeben, das sogenannte Maggikraut. Und wem das Mörsern zu mühsam ist, der benutzt die alte Kaffeemühle. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Was die Erfinderin mit ihrer Kreation so macht? Sie krümelt das Gemüsegranulat zum Würzen über asiatische Gerichte, das ersetzt die Sojasauce. Wenn sie Reis leicht in Erdnussöl anröstet vor dem Kochen, dann gibt sie einen Teelöffel Gemüsebrühe dazu (allerdings sehr fein zerrieben, denn die Krümel sind unangenehm im Mund). Man kann auch im Winter einfach zwei Löffelchen davon mit einer Tasse Wasser erhitzen und hat eine Brühe, die herrlich riecht und nach echtem Gemüse schmeckt. Ein wenig Salz sollte aber schon rein.Norbert Thomma

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Fotos: Sabine Löscher

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