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Melanie Fischer hat in einem Dorf in den Abruzzen alles über frische Pasta gelernt.

© Mike Wolff

Pasta aus Schöneberg: Unsere Besten

Schwäbische Backwaren, frische Pasta, Käse aus Rohmilch – in Berlin kann man so viel Gutes finden. Drei Lieblingsläden in unserer Serie: Teil 18.

Man glaube ja gar nicht, wie viele Pastamacher in Italien schon ihre Finger in den Walzen ihrer Teigmaschinen verloren haben, sagt Myrta Palombi. Sie jedenfalls haben sich ein Sicherheitsgitter aufmontieren lassen, damit es nicht zu Arbeitsunfällen kommt.

Pasta fresca, süchtig machend, aber am stillen Ende der Bülowstraße. Kann man es hier zu etwas bringen? „Wir haben einfach die Jalousien hochgezogen“, sagt Melanie Fischer. Im Oktober vor zwei Jahren.

Seitdem prunken zwei glänzende Nudelmaschinen mit mit Teigmischer, eigens für sie gebaut in Italien, mannshoch in ihrem Laden. Jede Maschine kann vier Nudelschnitte. In die kleinere kommt nie ein Ei. Ein Tisch mit Marmorplatte gibt den besten Untergrund für den Teig. Auf Zuruf schneiden sie daraus die Form, jeweils in zwei verschiedenen Breiten: Papardelle, Tagliatelle, Spaghetti. Von Hand geschnitten werden Quadrucci, Maltagliati… Jede einzelne Tomate, die in den Saucen verkauft und in den Füllungen verwendet wird, ist in Italien errötet. „Produkte, die in bestimmten italienischen Regionen sehr bekannt sind, aber nirgendwo sonst“, besorgt Palombi für die Saucen.

Eine Frau perfektioniert die Hülle, die andere die Fülle. Melanie Fischer macht den Nudelteig. Die Wünsche ihrer Kunden sind ihr ab 500 Gramm Befehl: Nudeln mit Dinkelmehl, Spinat und Bärlauch mischt sie auf Vorbestellung. So ein Laden sei ja auch eine Art Erziehung. Wer hierher kommt, müsse erst warten, bis seine Pastaform frisch aus dem Teig geschnitten ist. Dann muss er nach Hause gehen und dort kochen. Diese Vorstellung gefällt Palombi fast am besten.

Beide wollen mit ihrem Handwerk einen Ort beseelen. So ein Laden ist ja auch eine Form des zivilen Widerstands: Gegen den Verlust des Handgemachten. Gegen die Nahrungsmittelindustrie. Gegen seelenlose Städte. Es sei schon schwierig, für das Mehl eine Mühle zu finden, die nicht zu einem großen Verbund gehört, sagt Fischer.

Palombi, die Querflötistin aus Rom, und Fischer, die Tischlerin aus Berlin, hatten sich ihr neues Leben genau so gewünscht: ein Kiez-Gefühl mit Stammkunden. Mit denen man Rezepte austauscht und Geschichten. Manchmal erzählt Fischer ihre eigene. Dass es eigentlich nur ihr Urlaub war, sie aber plötzlich wusste, was sie in Zukunft arbeiten wollte. Wie. Wo. Und vor allem: warum. Alles stand und fiel plötzlich damit, ob die beiden alten Damen in dem kleinen Pasta-fresca- Laden in dem Dorf in den Abruzzen zustimmen. Sie haben keine Ahnung, wer die Berlinerin ist, die da plötzlich in ihrem Laden auftaucht und bittet, alles von ihnen lernen zu dürfen. Aber sie sagen ja. Mehrere Monate ist Fischer dort, sechs Tage die Woche. Sie lernt alles über Nudelteig, seine Form und Konsistenz. Je feuchter die Luft, desto weniger Ei.

Als sie 2012 in ihrem eigenen Laden die Jalousien hochzieht, verkauft sie zunächst nur zwei Teige und eine Sorte Ravioli. Aber das ist nicht tragisch. Schon drei Sorten nämlich erreichen die Grenzen der Entscheidungsfähigkeit der Kunden.

Es kamen tatsächlich alle miteinander ins Gespräch. Die Leute aus dem besetzten Haus nebenan sind Stammkunden, Restaurants ordern und Radler springen, von der Arbeit kommend, von ihren modischen Geschossen. „Und dann müssen sie nach Hause gehen und kochen“, sagt Myrta Palombi zufrieden. Beim Kauen leisten dann selbst die Nudeln Widerstand. Deike Diening

Pastawerk, Bülowstraße 50, Schöneberg, Mo 15-19.30 Uhr, Di-Fr 11-19.30 Uhr, Sa 11-16 Uhr.

Schwäbische Bäckerei

Bäcker Heinig macht die Brezeln von Hand.
Bäcker Heinig macht die Brezeln von Hand.

© Mike Wolff

Die Seelen der Schwaben sind salzig. Knotig sehn sie aus. Sie sind außen knusprig und innen feucht. Sie werden traditionell mit Kümmel bestreut. Und sie sind, nicht immer zu 100 Prozent, aus Dinkelmehl.Wie? Seelen? Was?Also, die Seele ist eine so genannte Backware, eine, um es Berlinern zu erklären, in die Länge gezogene, unförmige Schrippe. Dazu wird Teig, der stundenlang gelegen hat, auf ein nasses Brett geschüttet, mit Wasser abgebürstet und auseinandergezogen, bis er die richtige Höhe hat. Dann taucht der Bäcker die Arme bis zum Ellbogen in einen Wassertrog und bricht Seele um Seele aus dem Teigfladen. Weshalb jede Seele eine andere Figur hat, immer vorausgesetzt, sie ist handgefertigt.

Herbert Heinig kratzt schon wieder mit tropfenden Händen ein Stück Teig ab, setzt es aufs Blech. Sagt, umgeben von Rührmaschinen, Mehlsäcken, Ofen, Brettern mit Broten drauf: "Ich habe den Geruch der Backstube schon als Kind geliebt." Heute ist er 61, Bäckermeister, Diplomingenieur der Lebensmitteltechnik. Geboren in Meßkirch - "wie der Heidegger". Vor der Bundeswehr nach Berlin geflüchtet, eine "Dauerladung zur Musterung" im Genick. Dies und das gemacht. Vorher als "Bäckerkochsmaat" zur See gefahren. Zweiter Bildungsweg. Aber immer dabei bedacht, die Seele nicht zu verlieren. Die stammt aus Oberschwaben, Meßkirch ist badisch, was soll’s. Jedenfalls feiert Heinigs Urladen in Friedenau diesen Monat Jubiläum, 25 Jahre.

In Heinigs Werkstätten lebt sie noch, die Handarbeit. Sechs Bäcker wuseln am Nachmittag umher, Kunden können dies durch eine Glasscheibe beobachten, um Mitternacht hat der erste seine Schicht begonnen. Nach und nach stoßen andere hinzu. Denn es gibt ja diese eine Sache, die brutal frisch sein muss, damit sie richtig schmeckt: die Brezel. Und Heinig hat sich da Ehrgeiz bewahrt, alle zwei Stunden sollen frische aus dem Ofen kommen; vielleicht, sagt er, schaffen wir’s bald öfter.Weil Brezel nicht Brezel ist, das muss mal gesagt sein. Weizenmehl, ja, daraus sind die meisten. Lauge, ja, in der haben sie alle gebadet. Aber der Bauch, Leute, der Bauch! Der muss bei der original schwäbischen dick sein. Muss aufplatzen und eine helle Wunde zeigen. Muss ganz dünne, knusprige Ärmchen haben; die lassen sich nicht aufschneiden und mit Butter bestreichen, die bricht man ab und kratzt damit durch die Butterschale.

Übrigens, auch das sei erwähnt: Heinig beliefert die Landesvertretung Baden- Württemberg, Tiergartenstraße. Mancher Gast wundert sich dort bei Veranstaltungen, wo wohl diese schwäbischen Brezeln herkommen, eingeflogen? Weil, wo in Berlin gibt’s die sonst? Und bei diesem Bäcker macht das Geschlinge keine Maschine, Hände rollen Teig in Würste mit dünnen Enden und werfen sie elegant durch die Luft.

BäckerMann, Pariser Str. 20 (Wilmersdorf) und Südwestkorso 9 (Friedenau). Täglich ab 6 Uhr, sonntags ab 8 Uhr.

Französischer Käse in Prenzlauer Berg

Romain Dumond (links) und Bastien Slovinki vor ihrem Käseladen.
Romain Dumond (links) und Bastien Slovinki vor ihrem Käseladen.

© Mike Wolff

Gemütlich sollte es sein. Gemütlich? Wie deutsch ist das denn! Gibt’s dafür überhaupt ein französisches Wort? Bastien Slovinki und Romain Dumond müssen lange überlegen, bis es ihnen einfällt. Chaleureux. Aber die Kunden sollten sich auch wie in Frankreich fühlen. Also: Neu-Berliner Gemütlichkeit gepaart mit französischer Kost und eben solchem Charme. Tische und Theken haben die drahtigen Betreiber selbst gebaut, als Wandlampen dienen Käsereiben ("vier Euro!"), rote und weiße Kissen sorgen für Bequemlichkeit.

In Paris sähe der Laden anders aus, davon sind sie überzeugt. Nicht so leger. Doch was das Angebot angeht, könnte die Vitrine genauso gut in der französischen Hauptstadt stehen: lauter Käse von kleinen Produzenten, Bauern, die ihre Ziegen, Schafe und Kühe noch selber melken. Knallorangener Mimolette, schneeweiße Ziegen-Pyramiden, flacher Brique Méjeanne, Schafskäse aus Korsika, Reblochon, Saint-nectaire Fermier, Chaource, fast alle der 50, 60 Sorten - die Auswahl wechselt je nach Saison - sind aus Rohmilch.Romain Dumond, 28, kommt aus der Provence, Bastien Slovinki, 31, aus Lyon. Kennen gelernt haben sie sich in Berlin. Der eine arbeitete als Ingenieur, der andere verkaufte Pseudo-Stilmöbel, in unterschiedlichen Firmen, aber unter einem Dach. Gemeinsam war ihnen die Liebe zur Gastronomie und der Wunsch, sich selbstständig zu machen. Sie hatten keine Lust mehr aufs Büro, auf Excel-Tabellen, Chef und Anzug. Also ließ Dumond sich in der Heimat zum Käsehändler ausbilden, vor zwei Jahren eröffneten sie ihr Ladenlokal. Voilà: La Käserie.

Die Fangemeinde wächst, viel Stammpublikum kehrt hier ein, Frankreichurlauber, 30 Prozent Franzosen, auch einige Gastronomen. Man kann für zu Hause einkaufen (manche kommen auch allein wegen des Baguettes) oder sich gleich hinsetzen und für 5,50 Euro eine "Petite Käseplatte der Woche" zusammenstellen lassen. Dazu ein Gläschen Elsässer Riesling oder Merlot, den Plausch dazu gibt’s gratis. Die beiden Freunde erzählen gern was zu ihren Spezialitäten, von den Bauern, deren Fotos im Hinterstübchen über dem Oma-Sofa an der Wand hängen.

Beim Geschmack teilen sich die Nationen. Die Deutschen kaufen vorsichtiger ein - weniger und klassischer. Am liebsten Bergkäse. Sie mögen Brie und Camembert, haben’s gern cremig, Rotschmierkäse hat’s bei ihnen schwer.

Auch wenn man nicht gleich um die Ecke wohnt, lohnt sich die Reise zur Käserie. Die Preise sind freundlicher als in den Edel-Kaufhäusern. Und an Samstagen gibt’s oft Besonderes, Käseverkostungen oder Fondue.

La Käserie, Lychener Str. 6, Prenzlauer Berg, Mo-Do 11-21 Uhr, Fr bis 22 Uhr, Sa 10-22 Uhr. lakaeserie.de

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