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Restaurantkritik: Ø

Børger mit Cole Slaw und Barbecuesoße.

Wer bekannte Berliner Gaststätten ummodelt, hat die Aufmerksamkeit auf seiner Seite – selbst wenn es solche sind, die eigentlich immer nur beim Vorbeifahren aufgefallen sind. So war es mit dem Kreuzberger „Kaiserstein“ – klar, das Kaiserstein, sagen alle, aber nie war jemand auch mal drin. Dafür ist es nun zu spät, denn in die prägnante Ecke am Mehringdamm ist das Ø eingezogen. Was so viel heißt wie: Ö. Der skandinavische Buchstabe steht für „Insel“, das ist zumindest mal originell; für skandinavische Küche steht er, wie wir gleich sehen werden, nicht.

Der Ehrgeiz der Betreiber, zu denen auch der ehemalige Borchardt-Oberkoch Markus Herbicht gehört, hat sich zunächst auf die Einrichtung konzentriert. Zu ihr gehören: „Eine Metalldecke aus dem ehemaligen Klub des Café Moskau, das molekulare Lampensystem des Ex-Bauministeriums der DDR, 100-jähriger Stuck, Balken und Tapeten aus Abrisshäusern, Wandlampen aus den 50ern im Babylon-Kino am Rosa-Luxemburg-Platz, Treppengeländer aus der alten Staatsoper Unter den Linden oder Eiermann-Stühle aus dem Bikini-Gebäude am Zoo…“ Sagt die Website.

Ob dieses Ragout nun im Ergebnis als „geheimnisvolle Berlin-Melange“ und „urban kreierte Geologie“ ankommt, wie es dort weiter heißt, überlasse ich dem Auge des Betrachters – es wurde jedenfalls eine sehr lockere Atmosphäre geschaffen, wegen der nackten Böden eher hallig als plüschig, in der es irgendwie selbstverständlich ist, dass die sehr netten Kellner unterschiedslos jeden duzen, der zur Tür hereinkommt.

Mit dieser explosiven Munterkeit geht die Küche nicht ans Werk. Hier scheint schon eingepreist, was die mutmaßliche Zielgruppe am liebsten mag. Mit Experimenten oder gar kulinarischen Anstrengungen will man ihr nicht auf die Nerven gehen, mit essbaren Reminiszenzen an die Einrichtung gottlob aber auch nicht. Also gibt es erst einmal eine ausladende Frühstückskarte mit allerhand Dingen, die sich gefahrlos neben der Notebooktastatur verspeisen lassen.

Ab mittags wird dann etwas schneller gefahren mit einer Küche, die den Szenegeschmack ernst nimmt, ohne ihn auch nur einen Millimeter zu überhöhen. Die „Kreuzberger Pflastersteine“ kokettieren ein wenig mit der örtlichen Tradition, ohne aus sich selbst Gefahr heraufzubeschwören – es handelt sich um drei würfelartig geformte Tatarvarianten aus Lachs, Kalb und Rind, die auch einzeln angeboten werden. Recht gut der Lachs mit Avocadopüree und Limettenjoghurt (7,50 Euro).

Die dünnst gescheibelten Zucchini treten als Carpaccio mitsamt ManchegoKäse und gerösteten Pinienkernen auf, tun das aber leider mit einem wässrigen Fußbad, das ihre angeborene Fadheit noch aufspritzend betont (7,50 Euro). Konzentrierter, geschmeidiger wirkt der Fenchel-Birnen-Salat mit Kalbsrückenscheiben, eine Rezeptur, die man auch zu Hause einsetzen würde, wenngleich dort wahrscheinlich die laaaangen Teller fürs Beeindrucken fehlen (9,50 Euro).

In die Kategorie „Hauptgänge“, die hier schon fast wie ein Zugeständnis an alte Gewohnheiten wirkt, gehören beispielsweise die tatsächlich hausgemachten Bandnudeln „mit Sosse Haschee“, die man auch Sugo Bolognese nennen könnte, gutes Fleisch, gute Tomaten (11,50 Euro). Der – wo ist der verfluchte Buchstabe? – „Børger“ ist anständig gemacht, von guter Rind- wie Brötchensubstanz, und selbstverständlich arrondiert mit sehr guten Pommes, Cole Slaw sowie einer ausgezeichneten Barbecuesoße (12,90 Euro).

Geringfügige Gourmetambitionen zeigten sich nur beim hübsch rosigen Hirschkalbsrücken in dunkel-rosiniger Jus nebst recht süßem Süßkartoffelpüree mit Zimt. Eine Beigabe von Gemüsen oder Pilzen hätten wir nicht zurückgewiesen, aber es gab sie nicht (23,90 Euro). Auch die Desserts bleiben in dieser Linie, gekocht von Profis, die sich ganz locker machen, Apfelstreusel im Weckglas mit Buttermilcheis, weißes Schokomousse mit Himbeersorbet und Croissantpudding. Gute Weine, recht preisgünstig.

Ja, ganz schøn so. Passt schon.

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