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N wie Nudelholz.

© Björn Rosen

Serie: Mein kulinarisches ABC

Unsere Kollegin ist jeden Tag schon vor 12 Uhr in der Kantine. Esther Kogelboom hat immer und überall auf der Welt Appetit. Von Dragonroll und Wurzelgemüse

APFELSCHORLE

Die meisten Menschen bestehen zu 70 Prozent aus Wasser – durch mein System fließt, wie durch jede brave Deutsche, Apfelschorle. (Haben Sie schon mal versucht, das Nationalgetränk in einem anderen Land zu bekommen?) Das zischt: Ein Drittel „Van Nahmen“-Elstar (Alte Heimat, gibt’s in Berlin bei „Butter Lindner“), zwei Drittel „Spreequell Medium“ (Neue Heimat) und eine Handvoll Eiswürfel.

BOBOTIE

Süß, sauer, herzhaft, scharf, milchig. Knusprig, matschig, weich. Fruchtig, fleischig. Indisch, holländisch, traditionell afrikanisch – das südafrikanische Hackfleischgericht vereint das Beste aus allen Welten in einer Auflaufform. Wärmt das Herbstherz mit Aprikosenchutney und Reis.

CLUB-MATE

Wie schafft der Kollege das nur? Ständig auf der Höhe der Zeit, enorm produktiv, immer gut aussehend und alert. Ein Blick unter der seinen Schreibtisch lüftet sein Geheimnis: Dort klimpert ein Reservoir leerer Club-Mate-Flaschen. Gefühlte 20 Jahre nach dem Trend trank auch ich meine erste Bloggerbrause. Seitdem bin ich druff. Soll angeblich auch mit Wodka schmecken.

DRAGONROLL

Sie steht stellvertretend für die riesigen, mit Avocadoscheibchen und Wildkräutern bedeckten Sushirollen, die im „Dudu“ (Torstraße 134) von einer brillanten Köchin aus dem Küchenfenster gereicht und auf die Gemeinschaftstische geschoben werden – und das zu fairen Preisen. Eine Offenbarung.

EGGS BENEDICT

Sie befinden sich nur am Wochenende auf der Karte des kleinen Coffeeshops „Antipodes“ (Fehrbelliner Straße 5). Dann lässt sich der neuseeländische Koch erweichen und bereitet pochierte Eier mit Sauce Hollandaise der Extraklasse zu. So cremig, so wunderbar! Macht satt und zufrieden für den Tag.

FEIGENPASTA

Der „Mädchenitaliener“ (Alte Schönhauser Straße 12) ist nicht Teil meines kulinarischen ABCs, sondern meiner kulinarischen DNA. Mit dem Rosmarinduft der typischen Balsamico-Reduktion in der Nase schlafe ich jeden Abend ein. Nach vier Jahren kann ich ihn immer noch riechen. Und will die buttrige Feigenpasta mit Mohn und Salami, dazu bergeweise Parmesan und Gewürztraminer. Sofort.

GAGGIA CLASSIC

Das Dilemma: Um Bohnen zu mahlen, diese Maschine nach dem Aufstehen zu bedienen und die Milch mit dem richtigen Fettgehalt aufzuschäumen, bräuchte ich erst mal ’nen Kaffee. Zum Glück bin ich mit einem semiprofessionellen Barista verheiratet, der dies lautstark für mich erledigt. Danke!

HAUPTBAHNHOF

Kulinarisches Drehkreuz. Unmöglich, hier nichts schnell, schnell auf die Hand zu kaufen. Zum Beispiel bei „Gosch“: ein Brötchen mit Lachsforelle und Honigsenf. Oder die kerngesunden Saftbären aus der 24-Stunden-Apotheke. Wichtig als Notfallproviant, falls einer der langsamsten Aufzüge der Welt stecken bleiben sollte. Ein weiterer Aspekt: Mich beruhigt irgendwie, dass es im Hauptbahnhof immer etwas zu essen gibt.

IIIIIH: Käserinden

Ich mag keine Frühstückstische abräumen. Finde ich doof. Punktum.

JUNKFOOD

Muss ab und zu sein: In Form von „Ristorante“-Tiefkühlpizza „Spinaci“. Vor dem heimischen Backofen ist es nicht ganz so laut wie bei „Due Forni“ am Senefelder Platz … ach, nächstes Mal doch lieber wieder zum Punkrock-Italiener.

KIND

„Mehr Nuln, Mama, biiiite!“

LEBENSMITTELPYRAMIDE

Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt täglich sechs Portionen Obst und Gemüse, gerne auch püriert. Stress! Ich schaff’ das nicht. Mein chronisch schlechtes Gewissen dämpfe ich mit …

Molun 1143 bis Zwiebelringe

MOLUN 1143

… einem Riesling, wie ihn nur Thorsten Melsheimer aus Reil an der Mosel keltert, dessen Anliegen die Rekultivierung der steilsten Lagen ist. Lange dachte ich bei „Mosel“ an Wandertag und nassen Schäferhund. Jetzt, nach einem Besuch, an den goldfarben-cremig-mineralisch-frischen Geschmack von Melsheimers feinstem Riesling. Bio ist er auch. (Bei Hammers Weinkostbar, Kreuzberg, Körtestraße 20. )

NUDELHOLZ

Das erste Küchenwerkzeug in meinem ersten eigenen Haushalt, noch vor der „Ikea-Starterbox“. Etwa zehn Mal mit umgezogen, ein treuer Gefährte. Doch eine Sache ist wirklich gruselig: Vor kurzem lag auf einmal neben ihm, ganz hinten im Schrank, sein baugleicher Zwilling. Keine Ahnung, wo der herkommt – nur schön zu wissen, dass mein Nudelholz nicht länger einsam ist.

OMA ANNA

Sie ist eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für niederrheinische Hausmannskost. Oma Anna zeigte mir, wie man Hühner aus dem Stall holt und köpft und Mettwürste aus der Sau des Nachbarn macht und Blutwurstscheiben am Ende eines Schlachttages scharf anbrät. Berührungsängste habe ich seitdem nur vor Viechern aus Massentierhaltung.

PHILADELPHIA

Gehört statt Butter auf jede Scheibe Marillenmarmeladenbrot. Natürlich mit vollem Fettanteil. Allein das Betrachten der ovalen Verpackung macht Frühstückslaune. Erinnert mich a) an ein Erlebnis in Amerika: Dort sah ich zum ersten Mal „Philadelphia“ in Eimern, in denen bei uns die Wandfarbe ist, und b) an meinen Job als Bagel-Aushilfsverkäuferin auf dem Winterfeldtmarkt.

QUAL

Kochen ist nicht nur Vergnügen. Zu den Tätigkeiten des Grauens zählen: Pfannen spülen, Benzin in den Gasherdanzünder füllen, Paprika häuten, Suppen durchs Sieb streichen, Zwiebeln schneiden, Knoblauch pressen sowie Knoblauchpressen abwaschen.

RAUE, TIM

Stand eines Tages mit Sojasaucen-Fahne und schmutziger Schürze vor meiner Bürotür, sein Buch „Ich weiß, was Hunger ist“ in der Hand. Habe mich sehr erschreckt.

SUSANNES SÜSSIGKEITEN

Ich sage nur: Lakritz. Je härter, desto besser. Von der „Haribo“-Sucht der lieben Kollegin profitiere ich auch (und der Zahnarzt).

TRIS

Südtiroler Knödeldreifaltigkeit. Schmecken natürlich – wie Speck am Brettl mit aufgefächerter saurer Gurke, eingelegter Paprika und Schüttelbrot – am besten nach mehrstündiger Wanderung über die Alm. Lassen sich einhändig mit der Gabel sauber zerteilen. Dazu ein Glas Vernatsch oder ein Forst. Falls mich in Berlin das Fernweh packt: Wirtshaus zum Mitterhofer, Fichtestraße 33. Oder ich mache Kaiserschmarrn mit Preiselbeeren und viel Puderzucker. Das duftet!

USEDOM

Ab in die Gummistiefel, Regenjacke an und Bratheringbrötchen kaufen. Weiche Gräten mitverzehren. Für den Rest des Wochenendes den immergleichen schlechten Witz wiederholen und „Brathering“ englisch aussprechen.

VETRO, CUORE DI

Die beste Eisdiele Berlins (Max-Beer-Straße 33) – und glauben Sie mir, ich habe alle getestet! Der Inhaber, ein glühender Fan Werner Herzogs und Blixa Bargelds, versteht alles von seinem Geschäft. Eisproduktion trendgemäß gläsern. Um diese Jahreszeit werden Mini-Panettones verschenkt, was ich mit eigenen Augen gesehen habe.

WURZELGEMÜSE

Vollkommen unterschätzt, besonders Rote Bete, die schmecken herrlich erdig und mürbe. Ich empfehle Jamie Olivers im Ofen geschmorte Variante.

X-MAS

An Weihnachten gibt’s bei uns dieses Jahr eine Schnittchenplatte. Zu lebhaft ist mir mein Zahlendreher bei der Hirschgulasch-Reservierung in der empfehlenswerten Fleischerei Staroske (Potsdamer Straße 116) in Erinnerung, der uns und viele Gäste bis weit ins neue Jahr hinein am intensiven Wild kauen ließ. Apropos Potse: Grüße an die Joseph-Roth-Diele schräg gegenüber. Habt Ihr Heiligabend geöffnet?

YETTE, GALERIES LAFA

Die Franzosen meinen es ernst. Noch bis zum 31. Oktober bekommt im Kellergeschoss des Luxuskaufhauses (Friedrichstraße 76-78) jederman eine Auster für einen Euro. Egalité, Schlürfalité, c’est chic! Doch eine Frage muss erlaubt sein: Warum gibt es in tout Berlin kein Buttercroissant, das wie in Paris schmeckt?

ZWIEBELRINGE

Das allerletzte Essen von Tony Soprano. Wird als solches für immer heilig sein.

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