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Von Tisch zu Tisch: 17fuffzig

Steckrübensuppe mit Arganöl

17fuffzig im Hotel Zur Bleiche, Bleichestr.16, Burg/Spreewald, Telefon 035603/62-0, nur Abendessen, Mi-So. Foto: Mike Wolff

Da können wir uns ja nun auf den Kopf stellen: Der Michelin-Stern ist ungeachtet aller plakativen Versuche, ihn „zurückzugeben“ oder sonstwie in Frage zu stellen, immer noch das Maß aller Dinge unter Besserköchen und -essern. Und wenn er dann nach zähem Warten mal einen trifft, der nicht zu den üblichen Verdächtigen mit dem getrüffelten Hummern und gestopften Gänselebern gehört, ist das umso besser. Hier ist einer: Oliver Heilmeyer, der sich seit rund zehn Jahren im „Hotel Zur Bleiche“ in Burg unaufhörlich verbessert hat und mit seinem besten Restaurant „17fuffzig“ schon lange zur kulinarischen Elite der neuen Bundesländer gehört. Seit November hat er den Stern, höchste Zeit.

Heilmeyer ist ein rares Kunststück gelungen. Er hat eine neue Regionalküche etabliert, die ihre Logik fast ausschließlich aus dem kulinarischen Erbe der Umgebung und den dort verfügbaren Produkten bezieht. Nein, das hat nichts mit dem Klischee der „brandenburgischen Küche“ und ihren ewigen Zanderfilets zu tun. Hier geht es nicht um Historienschinken, sondern um die Neukonstruktion einer regionalen Identität, die in ihrer Stilistik auf französische Vorbilder wie Michel Bras oder Alain Passard verweist, modern, aber nicht modisch, ohne avantgardistische Effekte. Ganz so teuer wie die ist er nicht, aber ein Essen hier gibt es auch nicht zum üblichen Spreewaldtarif: Vier Gänge kosten 82, acht 125 Euro, es geht auch à la carte.

Das ist die Sache, wie wir gleich sehen werden, wirklich wert. Heilmeyer reduziert seinen Stil zunehmend und arbeitet noch konsequenter mit Kräutern und Gemüsen, die meist aus dem eigenen Garten kommen. Sie setzt er mit anderen lokalen Produkten wie Leinöl oder sogar Essiggurken zusammen, akzentuiert dann und wann mit prägnantem Raucharoma – und überrascht zudem mit klug dosierten fremdländischen Akzenten. So kommt es zu der nicht mehr steigerungsfähigen Kombination aus gestampften Adretta-Kartoffeln und Pastinaken, die mit dem nordafrikanischen Raz-el Hanout gewürzt und mit Walnussöl und Jacobsmuscheln serviert wird.

Zum dünn geschnittenen pfeffrigen Kalbsrücken gibt es warmes, herrlich nach Zimt duftendes Pinienkern- „G’röstl“, in den Ravioli steckt die Haxe vom Müritz-Lamm, die erdige roten Bete aus dem Garten kommt gebacken, ohne alles andere, in einer verblüffenden Grünkohl/Honig/Limettensauce, und unter dem glasierten Kalbsbries liegen nicht nur Trompetenpilze, sondern auch behutsam geräucherte Schwarzwurzeln. Und erst die mit Leinölschaum gratinierten Austern auf Spinat, die Steckrübensuppe mit Arganöl und Schalottencroustillant. . . Ebenso überzeugend, wenn auch nicht so spektakulär eigenständig, sind die Desserts, beispielsweise warme Kaffeebällchen mit Kürbis-Orangeneis oder die Apfeltarte mit Meerretticheis.

Sommelier Oliver Westphal begleitet diese Köstlichkeiten aus einem wundersam immer weiter anschwellenden Weinkeller, der die Linie der Küche konsequent aufnimmt: Das Angebot ist zwar international und lässt kaum einen Klassiker aus, führt aber vor allem den Aufstieg des ostdeutschen Weinbaus in beeindruckender Fülle vor. Es ist sehr ratsam, Westphal die Auswahl der Weine glasweise zu überlassen – und allerhand Überraschungen zu erleben. Er ist fürs Entertainment zuständig, für Kontinuität im geräuschlosen Service sorgt die langjährige Restaurantleiterin Ute Lasch.

Das größte Handicap dieses Restaurants ist sicher, dass eine anschließende Übernachtung wegen der entlegenen Situation nahezu obligatorisch ist. Das geht ins Geld, bringt dem Gast aber auch die Attraktionen eines Hotels näher, das in Sachen Wellness nahezu unschlagbar ist. Der zu jeder Jahreszeit mit Autos vollgepackte Parkplatz zeigt, dass das kein Geheimnis mehr ist – an Wochenenden lohnt sich langfristige Zimmerreservierung oder, notfalls, die Wahl eines anderen Nachtquartiers in der Nähe. Denn im Restaurant ist eher mal was frei.

Heilmeyers Küche lohnt die Reise. Ich zögere nicht, sie gegenwärtig zur besten, weil eigenständigsten in den neuen Bundesländern zu erklären.

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