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Von Tisch zu Tisch: Bandol sur Mer

Mehr Sein als Schein

Bandol sur Mer, Torstr. 167, Mitte, Tel. 67 30 20 51, geöffnet täglich ab 18 Uhr. Keine Kreditkarten. Foto: Kai-Uwe Heinrich

Gemütlich geht anders. Von außen ist das Bandol sur Mer kaum zu erkennen. Über der von schweren Plastikplanen umhüllten Terrasse mit zwei Vierertischen unter Heizlampen leuchtet – nicht gerade weit – der Name des Lokals. Auch das Innere ist winzig. Sechs schlichte, eng beieinanderstehende Tische, Bänke und harte Stühle gruppieren sich um eine offene Küche herum. Der frühere Döner-Laden wurde mithilfe von Einrichtungselementen aus alten DDR-Behörden aufgemöbelt. Die Wände werden dominiert von schwarzen Schiefertafeln, auf denen sich in weißen Kreidebuchstaben die Speisekarte findet. Mehr Speisekarte gibt es nicht, nur für die Getränke eine Extramappe. Die Weinflaschen kann man sich aber auch live aus der Nähe angucken, sie lagern nämlich in einem durchsichtigen Weinkühlschrank, der bis unters Waschbecken auf der Toilette reicht. Über dem Eingang flimmern rhythmisch drei Monitore mit Musikvideos. Die junge Mitte hat eine sehr spezifische Vorstellung von Behaglichkeit.

Gleich drei in mancher Hinsicht ansehenswerte Köche werkeln mit großer Präzision und sichtbarer Kompetenz, sie wirken fast zu groß für das Ambiente, bieten aber eine ideale Spiegelfläche für die Kunden, die sich dem Anschein nach vor allem aus den Berliner Nachfahren der Yuppies rekrutieren. Obwohl man nur unwesentlich bequemer und sicher nicht ruhiger sitzt als bei Mc Donald’s, war es uns erst im dritten Anlauf gelungen, überhaupt einen kleinen Zweiertisch in der Mitte des Raumes zu ergattern – und auch nur in der zweiten Servierschicht, die um 21 Uhr beginnt.

Eine etwas streng guckende Französin milderte anfängliche Enttäuschung rasch mit kaltem Crémant von der Loire (4,50 Euro). Dazu gab es erfrischend zitronig schmeckenden Ziegenkäse mit weichem, braunen Brot und Baguette. Das deutete schon in die hier vorherrschende Richtung, die man als Minimalismus mit Substanz bezeichnen könnte. Zum Trinken musste es natürlich ein Bandol-Wein sein, ein tiefdunkelroter, schwerer und ernster 2004er Chateau des Baumelles (33 Euro). Die Flasche wurde unkompliziert und ohne Brimborium auf den Tisch gestellt. Man schenkt sich selber ein, auch das ein weiterer Akzent in dieser Stilmelange aus gehobener Jugendlichkeit, lässiger Work-in-progress-Atmosphäre und einem hohen Qualitätsanspruch.

Der offenbarte sich bei den Vorspeisen. Saftige Salatblätter türmten sich, von einem schweren rosa Dressing gehalten, zu einem kleinen Hügel empor, dazwischen feine Apfelscheiben und zarte Fenchelstreifen, ringsum Röstbrotdreiecke mit zartfetter Rauchmakrele. Tatsächlich ein Genuss (10,50 Euro). Auch die Fischsuppe verriet, wieso die französische Küche im Laufe ihrer Geschichte lange stilbildend war. Die Farbe feurig, der Geschmack kräftig pikant, die Doradenstücke darin zart und weiß. Dazu gab es Käse und eine Aioli-Zubereitung (9,50 Euro).

Das Entrecote mit köstlicher Café-de- Paris-Butter war etwas knorpelig und sehnig. Das ist mir schon gelegentlich aufgefallen, dass selbst hochbegabte Köche immer mal wieder an der Qualität des Fleisches scheitern. Die Auswahl ist ja in Berlin auch ausbaufähig. Dazu gab es einen bleichen Würfel Kartoffelgratin, aus zarten Scheiben sorgfältig geschichtet, und wunderbar altfranzösisch schmeckendes Gemüse, halbierten Rosenkohl und Möhren (17,50 Euro). Zweierlei von der Ente entschädigte für die etwas halbgare Entrecôte-Qualität, das war wieder ganz zart, der Fleischgeschmack schon richtig gut. Dazu gab es Maronen und winterlich zimtigen Rotkohl (19,50 Euro).

Neben den süßen Klassikern gibt es danach noch den kleinen oder großen Käseteller. Auf dem kleinen befinden sich Miniportionen unter anderem von Roquefort und Munster und verschiedene halb zerlaufene Portiönchen im Zuckerlöffel, das war gut und professionell abgestimmt. Das Ambiente verführt nicht dazu, danach noch unnötig lange herumzusitzen. Wenn je der Spruch „Mehr sein als scheinen“ zum leibhaftigen Restaurant geronnen ist, dann hier.

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