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alter fritz

© Kai-Uwe Heinrich

Von TISCH zu TISCH: Berlins Alter Fritz zeigt neue Frische

Bernd Mathies stattete Berlins traditionsreichstem Gasthaus einen Besuch nach der Renovierung ab - und findet bei Lammfilet mit Ziegenkäsemousse, dass der "Alte Fritz" schon wieder ziemlich jung aussieht.

Fährt man ums Eck droben im Tegel, dort, wo der Wald beginnt, wartet eine Überraschung: Der ehrwürdige „Alte Fritz“, Berlins mit Abstand traditionsreichstes Gasthaus, hat eine Renovierung spendiert bekommen, neue Fassade, neue Zäune. Und ein neues Innenleben, das noch viel erstaunlicher aussieht: Knallrote Sessel leuchten vor weißen Wänden und dunklem Dielenboden.

Die Betreiber, die wendigen, in der Szene allgegenwärtigen Thieme-Brüder, trauen sich was. Nach Landgasthof, Tex-Mex-Speisestätte und Mini-Brauerei ist der neue „Alte Fritz“ nun ein fast schon elegantes Weinrestaurant. Das kann trendsetzend sein für die notorisch verpennte Berliner Ausflugsgastronomie oder ein Schuss in den Ofen; ich hoffe auf den Trend, es hat mir gefallen.

Na, jedenfalls einigermaßen Gerade beim Essen sind Verbesserungen durchaus notwendig, wie wir gleich sehen werden. Aber das Thema Wein wird vom Start weg imponierend großzügig gespielt – gleich rechts hinter dem Eingang ist eine kleine Vinothek entstanden, deren beste Flaschen durch einen Glasboden zu betrachten sind. Das recht große Sortiment hat zwar noch keinen Schwerpunkt, bringt aber aus den traditionellen europäischen Anbaugebieten – sogar Grie chenland! – eine kompetent zusammengestellte Auswahl, deren Witz sich erst beim Blättern in der noch provisorischen Weinkarte zeigt. Denn jede Flasche wird für einen Aufschlag von 15 Euro auf die seriös kalkulierten Ladenverkaufspreise am Tisch geöffnet. Das bedeutet, dass es zwischen 20 und knapp 100 Euro eine große Auswahl gibt, im Mittelfeld z. B. einen ausgezeichneten Ungsteiner Weilberg Riesling 2007, Großes Gewächs vom Pfälzer Weingut Pfeffingen, für exakt 34,95 Euro – da muss kein Weinfreund mehr vom Essen hören, um sich zum Hinfahren zu entschließen.

Noch da? Gut, reden wir doch vom Essen. Die Preise – kein Hauptgang kostet mehr als 20 Euro – deuten schon an, dass hier kein Gourmet-Niveau angestrebt wird, das ist auch vernünftig. Es gibt knapp gehaltene Vorspeisen, Salate, Suppen, Nudeln, ein paar Hauptgänge mit dem unvermeidlichen Wiener Schnitzel im Mittelpunkt, das zeigt außerdem die Absicht, möglichst vielen Gästen zu gefallen, auch jenen, die nur ein Bier und einen Salatteller wollen, beispielsweise den gut gemachten Salatteller mit gebratenem Lammfilet, Ziegenkäsemousse und Holundervinaigrette für 12 Euro.

Dass der Kellner jeden Teller aus der Pfeffermühle bestäuben wollte wie in der Operetten-Pizzeria, nahmen wir mit Gelassenheit, das regelt sich sicher noch. Denn der Pot au feu von Edelfischen (10 Euro) hätte vor allem mehr Salz verdient und dazu noch irgendeine andere Würz idee, Curry, Kräuter, egal. Der Fisch selbst, drei Sorten plus Gamba, schmeckte gut, saftig, frisch. Kabeljau mit Knoblauchspinat, Kartoffelschnee und Rotweinsauce: Insgesamt gelungen trotz einer deutlichen Übergarung. Beim guten Rehrückenfilet mit Schwarzwurzeln und gebratenem Semmelknödel gab es nichts zu meckern.

Die Desserts werden um 7 Euro verkauft. Ich würde allerdings raten, dieses Geld doch lieber in den Wein zu stecken, denn das übersüßte, vage nach Industrie schmeckende Maronenmousse mit harten, aromafreien Pflaumen hätten wir uns sparen können; das mit Spumante aufgegossene Birnensorbet war immerhin eine angenehm prickelnde Erfrischung. Generell kann man auch auf diesem Preisniveau noch mehr Qualität bieten, aber das müsste hier nach einer Einarbeitungszeit klappen. Der „Alte Fritz“ jedenfalls sieht schon wieder ziemlich jung aus.

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