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Von Tisch zu Tisch: Fiore

Heilbutt mit Hummer

Das Gespenst der Molekularküche geht um in Europa. Man liebt oder hasst sie, dabei ist schon der Name so blöd wie nur was. Denn gemeint ist einfach nur eine Küchenrichtung, die durch moderne Technik zu Ergebnissen kommt, die früher so nicht möglich gewesen wären. High-Tech-Küche? „Metaphorische“ Küche? Die Namenssuche läuft, während sich das Wissen über die Methoden weiter ausbreitet. Einige Köche verfallen dabei ganz dem Geist der Dekonstruktion, der die Arbeit des Initiators Ferran Adria prägt, andere setzen nur einzelne Effekte ein.

Ob das nun klappt oder nicht, hängt – wenn Sie mir die Banalität verzeihen – davon ab, ob der betreffende Koch kochen kann. Ich habe jetzt in Potsdam einen gefunden, der allerhand ausprobiert in dieser Richtung. Und weil er kochen kann, wird langsam was draus, auch wenn ich nicht jedes Detail überzeugend fand. Es handelt sich um das Hotel am Jägertor, dessen erster Anlauf zu kulinarischer Größe einst sang- und klanglos scheiterte.

Ob Steffen Schwarz, der neue Küchenchef, ins wenig ehrgeizige Konzept der Travel-Charme-Gruppe passt? Er macht es den Gästen schon deshalb nicht ganz einfach, weil das Haus vorgibt, zwei Restaurants zu haben, das bekannte „Fiore“ und ein neues „Giglio Rosso“. Der Unterschied ist schwer zu verstehen: Das „Giglio rosso“ zur Straße hin ist der kleinere, feinere Raum, offiziell nur abends geöffnet, wenn es neben der normalen Karte aufwändigere Menüs gibt – wir wurden dort aber auch mittags sehr kompetent und angenehm versorgt.

Italienische Küche gibt es weder im einen noch im anderen Raum. Sondern eine persönlich geprägte mit gelegentlichen mediterranen Akzenten. Gleich am Anfang ein paar verlockende Häppchen, Bärlauchsuppe, ein kleines, intensives Tomatenparfait und die flüssige Olive, ein beliebtes Grundmotiv der Avantgarde – insgesamt sehr großzügig angesichts des Preises von 42,50 und 45 Euro für zwei unterschiedliche Viergangmenüs (Hauptgänge um 20 Euro). Pochiertes Ei mit Hollandaise und Kartoffelwürfeln, das klingt banal, ist aber ein großes Vergnügen, wenn es so leicht und präzise ausgeführt wird wie hier. Dann Wildkräutersalat mit Scheiben von schwarzen Walnüssen und gebratenem Kalbsbries, gut, aber beeinträchtigt durch das laffe, schlecht parierte Bries.

Höhepunkt war der bemerkenswert genau gegarte, saftige Heilbutt mit Hummer in Krustentiersauce, und auch das Zanderfilet auf Steckrüben fiel durch sauberes Handwerk und gute RundumWürze auf. Als die Taubenbrust im Strudelteig anrückte, zuckten wir zusammen, weil solche Deko-Exzesse mit sinnlos geschnitzten Gemüsen immer auf eine Katastrophe hinauslaufen. Hier nicht! Die Taube, schön rosa, steckte mit Gänsestopfleber und Apfelscheiben nebst umhüllender Farce in dünnem Teig, ein imponierendes Kunststück, das durch Weglassen aller anderen Details (beschäumte Preißelbeeren etc.) noch gewonnen hätte. Sehr gut gegart auch der Wildschweinrücken mit Kartoffelrose – Pech, dass das Fleisch dennoch teils zäh war, das kommt bei Wildschwein vor.

Und wo sind nun die Effekte? Da war zum Beispiel ein Stück Reblochon, das unter einem Deckelchen ein paar Minuten in Wacholderrauch geschmachtet hatte, das wäre etwas weniger kalt noch besser gewesen. Und es waren die Desserts; ich gebe zu, dass ich die flüssig gefüllten „Sphären“ aus Obstsaft nicht wirklich besser finde als das Obst selbst; Kirsch sieht da wie Schoko aus und schmeckt irritierend wie beides. Beim Minz-Espuma zu einem gelierten Fruchtsüppchen mit Erdbeersorbet ging das Konzept auf. Die Weinkarte ist blass, gezeichnet vom Travel-Charme-Zentraleinkauf – es gibt aber gut Trinkbares schon ab etwa 20 Euro. Mein Rat: Mal hingehen. Das kann was werden.

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