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Von TISCH zu TISCH: Hartmanns

Seezungenfilet mit dicken Bohnen.

Lange nicht mehr bei Stefan Hartmann gewesen. Dabei ist seit der mutigen Gründung des Kreuzberger Souterrain-Restaurants 2007 allerhand passiert – es kam beispielsweise ein Michelin-Stern, und die Gründung des Zweitbetriebs „Neubau“ scheiterte im vergangenen Jahr innerhalb sehr kurzer Zeit. Am Status des „Hartmanns“ als Platzhirsch im Graefekiez hat sich dennoch nichts verändert, es bleibt gewissermaßen der Leithammel in einer kulinarisch durchaus anspruchsvollen Gegend. Dies ist der bürgerlichere Teil Kreuzbergs, hier kann gottlob jeder nach seiner Façon arbeiten, ohne von irgendwelchen autonomen Kiezmafiosi drangsaliert zu werden.

Ich habe lange gebraucht, um mit Hartmanns Küche warm zu werden, denn sie schien mir anfangs zu einfach gestrickt, zu demonstrativ geheimnislos, um interessant zu sein. Seitdem hat er mächtig nachgebessert, ist stilistisch vielfältiger geworden, verwendet interessantere Produkte und Kombinationen. Dennoch bleibt dies eine klassisch gestimmte Küche ohne jeglichen exotischen Einfluss, was ich nicht kritisch, sondern rein informativ anmerke.

Es hat mir also diesmal viel besser gefallen. Vegetarier würde ich eher nicht hinschicken, denn das Angebot ist sehr fleischlastig, und die Fleischgerichte mit ihrer betont herzhaften Art gelingen gut, besonders, wenn dunkle Schmorsaucen den Ton angeben. Bei anderen Gerichten hätte ich mir dagegen gewünscht, dass die Küche ein wenig mehr aus sich herausgeht, kontrastreicher und mutiger würzt, mehr süße und säuerliche Akzente setzt. Aber diese etwas unmodische Haltung lässt sich natürlich auch als Respekt gegenüber dem Produkt verstehen und ist sicher kein handwerklicher Fehler, sondern Ausdruck einer bewussten stilistischen Entscheidung, die dem einen Gast mehr und dem anderen weniger gefallen mag.

Pack mer’s. Sehr sanft im Sinne meiner Vorbemerkungen fiel die Kombination von Flusskrebsen mit Artischocken, Estragoncreme und einem dunklen Krustentiergelee aus; verblüfft las ich hinterher auf der Speisekarte „Flussbarsch“, meinte aber eigentlich, Räucherforelle gegessen zu haben. Räucherbarsch? Sehr stimmig war Räucheraal mit weich geschmortem, kaltem Schweinebauch, da die Beigabe von Gurke und Kresse den beachtlichen Fettgehalt sanft auffing, schön säuerliche Tomatenwürze begleitete das Seezungenfilet mit dicken Bohnen.

Milde Frühlingsluft umwehte auch das saftige Kalbsfilet mit Spargel, schön schmelzigen Serranognocchi und Erbsen. Ich war dennoch nicht unfroh, mit der geschmorten Kalbsbacke den Sektor bodenständiger Kraftmeierei erreicht zu haben, denn die, kombiniert mit Makkaroni, Morcheln und sautierten Salatherzen, schmeckte nach mehr. Das war exzellente Bürgerküche wie auch das glasierte Kalbsbries mit Trüffeln, marinierter Kalbshaxe und Spargel, bei dem mir allerdings die Haxe, dargeboten als hauchdünne Scheibe unter der Backe, eher entbehrlich schien.

Die entschlossene Würzung setzte sich dann auch in die Desserts fort. „Creme, Gebackenes und Zucker vom Sesam mit Joghurteis und Banane“ klang eher kontrastarm, doch entschlossener Einsatz von Passionsfrucht ließ sogar die Bananenscheiben wunderbar schmecken. Ebenso ausgewogen gelang die Nusspraline mit Kakao-Eis und Ananas, und auch die Petits fours zeigten, dass hier in der Küche jemand ein Händchen für Süßes hat. Der Preis für all das ist angemessen: Menüs kosten 58 bis 90 Euro, Hauptgänge 38 Euro.

Wie die meisten Berliner Restaurants hat auch dieses mit Personalwechseln im Service zu kämpfen. Das wirkte sich bei unserem Besuch jedoch nicht negativ aus, wir wurden aufmerksam und freundlich behandelt. Die Weinkarte konzentriert sich mit zunehmender Tiefe auf Deutschland, Österreich und Frankreich, die Weinbegleitung glasweise kostet 28 bis 58 Euro.

Insgesamt ist das also ein ganz stimmiges Angebot; mit etwas mehr kulinarischem Esprit könnte das „Hartmanns“ aber leicht noch gewinnen.

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