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Von TISCH zu TISCH: Imperial

Die Gänsestopfleber mit Schokoladenstaub, die im Imperial serviert wird, könnte große Klasse sein, wenn sie innen nicht weich und nahezu eisig gewesen wäre, befand Bernd Matthies bei seinem Besuch.

In Berlin fehlen die Restaurants, deren Besitzer sich mal was trauen. Ach, wir sind ja nur ein bescheidenes Bistro und wollen im Leben keine Auszeichnungen! So kommt es, dass wir in anderen Städten und Ländern begierig nach glamourösen Orten suchen, nach modern gestalteten Räumen und experimentierfreudigen Köchen, die den richtigen Hauch von Metropole verbreiten. Insofern ist mir die Idee sympathisch, die hinter der Gründung des großspurig „Imperial“ getauften Restaurants steht – moderne Architektur, coole Musik, offene Küche und garantiert kein Wiener Schnitzel auf der Karte. Dass das Imperial allerdings ausgerechnet im alten Rathaus Steglitz steckt und hinten mit dem überlaufenen Einkaufszentrum „Schloss“ verbunden ist, das scheint mir dann doch nicht zusammenzupassen. Denn die Steglitzer tafeln in Pizzerias und Warenhauskantinen – oder sie verlassen bei höheren Ansprüchen zum Essen den Bezirk.

Nun ist die Lyrik der Pressemappen die eine Sache und die Realität auf dem Teller eine andere. Es ist sehr schwer, in Berlin hochqualifizierte Köche zu finden, das wurde schon durch die Tatsache deutlich, dass hier der High-Tech-Spezialist Cristiano Rienzner als Coach genannt wird – seine Handschrift prägt die Karte deutlich. Doch was passiert, wenn er nicht da ist, und: Wer soll die Küche des Imperial nach der Eröffnung weiterentwickeln?

Mein Eindruck war, dass hier hoffnungsvolle Ansätze vorerst durch mangelnde Präzision verspielt werden. Die schnieke gebratene Gänsestopfleber mit Schokoladenstaub und Maistoffee könnte große Klasse sein – doch warum ist sie innen so weich und nahezu eisig? Absicht war es nicht, das bestätigt uns der Kellner, denkt allerdings nicht an irgendeine Art der Entschädigung. Auch die Jacobsmuscheln „Hommage an Joan Miró“, immerhin drei Stück guter Qualität, sind eher lau als warm, aber von einem fluffigen Zitrusschaum angenehm begleitet.

Zum Konzept gehören relativ normale Pastagerichte, die uns anstandslos als halbe Portionen serviert wurden, aber dennoch enttäuschten. Die Spaghetti mit kleinen Tomaten und Mozzarella waren seltsam trocken und ausdruckslos, die Gnocchetti mit Pfifferlingen, Salsiccia und karamellisiertem Römersalat – gute Kombination – zäh aufgebraten und eher überwürzt. Rib Eye vom Hereford-Rind mit Bearnaise und Pommes frites: gute Fleischqualität, sauber gebraten, gute Sauce. Die Pommes allerdings, recht dunkel und innen kaum durch, hätten an keiner besseren Imbissbude bestanden.

Die saftigen Doradenfilets, endlich einmal nicht „auf der Haut gebraten“, mit Tomatenconsommé, Algen, Thai-Spargel und einem etwas verloren herumliegenden Minzebüschel schmeckten ganz gut, allerdings wirkte das fettfreie Gericht sehr diätetisch und hätte durch eine kleine Zugabe von Olivenöl sicher an Fülle und Mundgefühl gewonnen. Gut: das Mandarinengelee mit Muscovadozucker und Joghurteis, schwach die „Passionsfruchtsuppe“, tatsächlich ein mit verschiedenen Kokos-Schäumen und -pulvern planlos überhäufter und von Minzsorbet begleiteter Geleeblock.

An Rienzner kann das alles nicht liegen, denn der ist zwar stilistisch umstritten, aber ein handwerklich ausgefuchster Profi; offenbar ist von diesem Können bei den Imperial-Köchen aber noch nicht allzu viel angekommen. Jedenfalls lief ein Zivilist, den ich für den Chef hielt, mit kritischem Blick ständig um den Herd herum – es möge helfen. (Hauptgerichte 19–25, Vorspeisen 13–16 Euro).

Sehr viele Einschränkungen also, die dem erhofften Genuss dann doch sehr im Weg standen. Dem laschen, aus einer offenbar schon länger geöffneten Flasche stammenden Aperitif-Champagner folgte der Blick in eine optisch große, inhaltlich minimalistische Weinkarte, die keineswegs die versprochene „spannende Auswahl“ bietet, sondern ein Allerweltssortiment von gerade einmal 40 Sorten, darunter exakt drei deutsche und zwei französische Weißweine. Auch das passt überhaupt nicht ins Bild eines anspruchsvollen Restaurants, das sich zunächst in die Steglitzer und dann in die Berliner Spitze einreihen möchte. Steglitz – das ist erreichbar. Berlin eher nicht.

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