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Von TISCH zu TISCH: Les Valseuses

Pochierte Birne mit Blauschimmelkäseschaum.

So viele Restaurants kann man gar nicht kennen, um die rätselhafte Frage letztgültig zu beantworten: Warum sind die einen voll und die anderen nicht? „Les Valseuses“ ist benannt nach einer nicht ganz unumstrittenen Filmkomödie der 70er Jahre, die auf Deutsch „Die Ausgebufften“ heißt. An viele der Gäste, die sich im Lokal lautstark amüsieren, war beim Kinostart wohl noch nicht mal zu denken. Die Tische stehen so eng wie möglich beieinander. Die Blondine gleich hinter mir schüttelt mit Verve ihr Haar, das sofort gegen meinen Hinterkopf fliegt, während sie, heftig mit den Armen wedelnd, furchtbar aufregende Geschichten aus ihrer Wohnung erzählt. Es gibt in dem langen Schlauchraum drei Nischen, in denen man halbwegs ungestört unter zwei echten, hoch an der Wand hängenden Fahrrädern sitzt.

Das Bistro gilt als cool, kein Platz bleibt lange unbesetzt. Das mag am erstaunlich freundlichen, ja geradezu herzlichen Service liegen, am schnörkellosen Ambiente, an den paar gemütlich brennenden Kerzen auf manchen Tischen. Vor allem liegt es wohl an den günstigen Preisen. „Les Valseuses“ ist einer dieser Franzosen, die man als junger Mensch toll findet, und an die man für den Rest seines Lebens zurückdenkt, weil man dort geliebt und gelacht und Wein getrunken hat. Wo das Essen einfach super war, solange der Geschmack noch nicht zu sehr verwöhnt und sensibilisiert war.

Ein „Amuse-Bouche“ ist hier natürlich kostenpflichtig, aber dafür gibt es auch Burgunderschnecken im Pfännchen (8,50 Euro). Die mochte schon die Jugend der 70er Jahre, damals noch als „Vorspeise“. So viel ändert sich denn auch wieder nicht. Das Team in der offenen Showküche geht immerhin mit dem gebotenen Ernst zur Sache, und das mit durchaus erfreulichen Ergebnissen.

Die pochierte Birne mit Blauschimmelkäseschaum und Nusscrumble schmeckte jedenfalls sehr gut, dazu passten hausgemachte, schön gebräunte Kartoffelchips, die fast was Plätzchenhaftes hatten (7,50 Euro). Auch die nicht ganz so streng französische Vorspeise war gut ausgeführt: Tintenfisch Tempura, schön zarte, also sorgfältig vorbereitete knusprige Calamari-Ringe, dazu buttriger, weicher Blattspinat, einige Tupfer zerlassener Kräuterbutter und eine gehaltvolle orangefarbene Nantua-Sauce (9 Euro). Drei dicke, frische Brötchen passten so gerade in den kleinen Korb, der dazu aufgetragen wurde und eigneten sich wunderbar als Saucensauger.

Die Hauptgerichte waren ebenfalls unprätentiös, aber nicht ohne Charme. Die Pissaladiere muss man sich vorstellen wie eine Frühform des Wrap, also eine Teigrolle gefüllt mit Zwiebelcreme, schön zerlaufenem italienischen Scamorza-Käse und konfierten Pilzen. Dazu gab es einige knackige, aber leider noch nicht entkernte Kalamata-Oliven (10 Euro). Das „Gulasch des Tages“ bestand diesmal aus Hühnerfleischfetzen. Da der Reis ausgegangen war, wurde das Huhn in einer doch eher säuerlichen Weinsauce dankenswerterweise mit einer üppigen Portion Gemüse aufgetragen, gelbe Bete, Rucola, Tomate, Erbsen, Möhren, Bohnen, Topinambur, gesund, lecker und reichlich (11,50 Euro). Es gibt noch einige Tagesgerichte, die in schwer lesbarer Schrift auf Spiegel und Tafeln geschrieben sind. Die Nachtisch-Auswahl ist klein und zumindest beim bitterdunklen Schokotörtchen mit flüssigem Kern ganz ohne Schnickschnack zubereitet.

Auch die Weinauswahl ist auf ein nicht allzu gentrifiziertes Publikum ausgerichtet. Bei 65 Euro für den 2008er Chateau le Puy ist schon das Ende der Fahnenstange erreicht. Aber auch der rote Hauswein, serviert in einem sehr einfachen Glas, passt zum eher rustikalen Programm (0,1 l). Der Rat des netten Kellners zum fruchtigen 2012er Viognier, Domaine de Montarel, erwies sich auch als gut und angemessen (17 Euro). Klar, dass man bei den knapp kalkulierten Preisen auf Barzahlung besteht. Rührend, wie so ein eigentlich etwas altmodisches Restaurant von den jungen Besuchern als cool wahrgenommen wird. Solange die Preise nicht heiß werden, wird das sicher noch ein Weilchen so bleiben.

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