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Von TISCH zu TISCH: Lochner

Gebratene Spanferkelbäckchen

Lochner, Lützowplatz 5, Tiergarten, Tel. 230 052 20, Di.–So. ab 18 Uhr. www.restaurant-lochner.de.

Der Sonntag ist, aller Ladenöffnungshysterie zum Trotz, ein Tag, an dem die deutsche Besser-Gastronomie konsequent die Arbeit verweigert. Ausnahmen gelten allenfalls für edle Landgasthäuser mit Ausflugszielcharakter. Aber wer den Fehler macht, mitten in einer Stadt am Sonntagmittag von Hunger überfallen zu werden, der findet sich meist trübsinnig in irgendeiner Burger-Bude wieder.

In Berlin ist das nicht anders. Große Ausnahme ist „Fischers Fritz“ im Regent, der am Sonntagmittag einsam röhrende Platzhirsch. Für den Abend bietet sich, etwas geringere Ansprüche und Einkünfte vorausgesetzt, außerdem das „Lochner“ am Lützowplatz an. Ich habe es unter diesem eher zufälligen Aspekt wiederentdeckt – und finde nun aber, dass es durchaus auch an allen anderen Wochentagen einen Besuch lohnt, den Montag ausgenommen, denn der ist hier der Ruhetag.

Die Küche von Andreas Lochner ist keine Überraschungsküche, es gibt nichts, was darauf zielt, einen eventuell hereinschauenden Michelin-Inspektor zu überwältigen. Das soll keine Bewertung sein, nur ein Hinweis: Experimentelle Küche gibt es auf diesem recht hohen Preis- und Qualitätsniveau in Berlin woanders. Doch wenn es um die Kunst geht, reinen Wohlgeschmack im süddeutsch-österreichisch-italienischen Dreiländereck zu verbreiten, ist das „Lochner“ eine gute Adresse.

Ich empfehle es gerade solchen Gästen, die sich in der Flüsteratmosphäre eines klassischen Gourmetrestaurants unwohl fühlen, denn der hallige, aber durchaus angenehme und großzügig möblierte Raum zwingt alle, die Stimme zu heben. Es wird also späteren Abends manchmal richtig laut.

Das Essen verbreitet vor allem den Eindruck entspannter Arbeit. Gebratene Spanferkelbäckchen, gebratener Bauch, eine winzige Rostbratwurst, dazu süß-saure Linsen und etwas Feldsalat – man erkennt das Bezugssystem der süddeutschen Bürgerküche, nur eben gespiegelt an den Erfahrungen der Moderne. Das ist durchweg köstlich, ebenso wie die Kombination von Bandnudeln, Fisch und Meeresfrüchten in sahniger Sauce, die eher von der Mittelmeerküche inspiriert scheint. Wird es einmal asiatisch, so fällt das Ergebnis zwar nicht ab, wird aber jene enttäuschen, die sich von den Worten der Karte betontere Würzung erwarten wie beim rohen Thunfisch mit Tatar auf einem betont sanften Curry-ChiliFenchel-Salat. Aber das ist hier zweifellos Absicht.

Die Hauptgerichte verbreiten nichts als Wohlgefallen. Von der Tendenz zur Übersüßung, die ich hier früher einmal kritisiert habe, ist längst nichts mehr zu bemerken. Hinreißend der Lammrücken auf markantem Knoblauchspinat mit etwas Polenta und Kirschtomaten (die etwas zu stark von Balsamico dominiert waren), ebenso köstlich der Brandenburger Rehrücken mit Balsamico-Sauce, Selleriepüree und Kartoffel-Sellerie-G’röstl und das gebratene Filet vom Loup de Mer mit Shiitake-Ravioli und Gemüsen. Angerichtet wird ohne viel Getue, auch die Desserts überwältigen nicht mit Effekten, sondern fließen mit im modernen Mainstream: herrlich fluffige Grießknödel mit Birne und Rum-Rosinen-Eis, sanftes Blutorangengratin mit Karamelleis. (Hauptgerichte um 25, Vorspeisen um 15 Euro, vier Gänge 59, mit Wein 85 Euro).

Stilistisch und qualitativ passende Weine runden das Vergnügen ab. Vor allem das deutsche Angebot ist ausgezeichnet sortiert und wird von Gerlinde Lochner-Kern und ihrem Service kundig präsentiert – schade, dass der Aperitif-Champagner, wenig aufregender Feuillatte, nicht am Tisch ausgeschenkt wird. Die gute 2006er Schreurebe von Proschwitz kostet 33 Euro, exzellente offene Weine sind unter zehn Euro zu haben.

Das ist die Sache zweifellos wert. Man könnte das Restaurant Lochner ein süddeutsches Landgasthaus nennen, das der leidigen Vollstopf-Ideologie abgeschworen hat. Dass es mitten in unserer nordöstlichen Großstadt steht und außerdem dennoch am Sonntag geöffnet ist, das ist für mich eine durchaus rare Häufung glücklicher Zufälle.

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