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Mia Matto, Warschauer Str. 33, Friedrichshain, Tel. 364281040, tägl. ab 17 Uhr, Sa, So ab 10 Uhr Brunch, Mo-Fr ab 12 Uhr Business Lunch.

© Kai-Uwe Heinrich

Von TISCH zu TISCH: Mio Matto

Eingelegter Blumenkohl mit Wasabi-Tüpfelchen.

Bevor die Mode wieder aus der Mode kommt, wollen wir uns mal dem derzeit heißesten Restauranttipp für Veganer widmen. Das passt ganz gut, denn dies ist die Jahreszeit, da sich eine Dinnerparty an die nächste reiht, und alle das dringende Bedürfnis entwickeln, sich rasch noch mal mit Freunden zu treffen, als ginge das Leben zu Ende und nicht nur das Jahr. Wer den schweren, fetten Speisen mal entgehen möchte, könnte sich an diesem Ort verabreden, wo es garantiert nichts gibt, was mit Tieren zu tun hat oder von ihnen abstammt.

Schon von weitem, vom S-Bahnhof Warschauer Straße aus, fällt der Schriftzug „Mio Matto“ ins Auge. Das Restaurant mit Aussicht befindet sich im ersten Stock eines Hauses, in dem auch ein veganer Supermarkt und ein veganes Schuhgeschäft untergebracht sind.

Eine Hostess empfängt die Gäste und platziert sie auch. Das kommt bestimmt gut an bei amerikanischen Touristen, besonders solchen aus der Filmbranche. Die Ausstattung ist mutig. Auffällige Lampen hängen von der rotweiß gemusterten Decke herab, der Fußboden trägt ein extravagantes Kachelmuster.

Schon der ganz ordentliche vegane Sekt stimmt ein auf ein recht gehobenes Preis-Leistungs-Verhältnis. Es dauerte, bis er auf dem Tisch stand, da der Barkeeper irgendwie Last mit veganen Cocktails hatte (6,70 Euro).

Zunächst das Amuse Geule: Ein Zahnstocher steckt in einer Ast-Scheibe und trägt Kokosmousse, ein daumennagelgroßes Stück von eingelegtem Blumenkohl und eine Andeutung Wasabi als i-Tüpfelchen. Da viele Gäste offenbar denken, die Ast-Scheibe sei das eigentliche Gericht, riss der Ober den Zahnstocher raus und drückte ihn mir in die Hand. Durchschaut! Tatsächlich hatte ich mich auch schon auf ein Stück Baumkuchen gefreut.

Es stehen drei Menüs zur Auswahl, die man auch untereinander kombinieren kann. Die Speisen werden nach Art der Gourmet-Restaurants aufgelistet: „Sellerie – Remoulade – Kräuter“. Eine dünne Scheibe Sellerie mit pittoresken Wildkräutern und zwei Zwiebelhautblüten ansehnlich verziert, barg unter sich eine Art Salat aus Remoulade und Lauchstreifen und war umgeben von einigen Schlieren Olivenöl (10 Euro). Die Suppe, „Kartoffel-Amarant-Lauch-Leinöl“ wurde nach Art der Molekularküche aus einem Sahnesiphon als dickflüssiger Schaum auf eine mit Sesam überkrustete Kartoffel und ein kleines Häuflein Lauchstreifen gespritzt. Das schmeckte nicht unbedingt nach elf Euro, aber ganz okay.

Der Hauptgang mit Steckrüben in der Hauptrolle war enttäuschend. Die Kellnerin sprach von geräuchertem Heu, aber es schmeckte eher so, als habe da jemand heftig gekokelt. Die beiden eher laffen Steckrübenröllchen hatten dem nichts entgegenzusetzen, auch die ansonsten ganz achtbaren Linsen konnten das leider nicht herausreißen (23 Euro).

Zum Nachtisch gab es ein „Predessert“, ein kleines Glashütchen mit Kirschgelee und Mandelcreme, sodann unter einem rosa Ahornblatt aus Zucker eine dünne Avocadocreme mit Tee und drei Würfeln von der Kakifrucht (12 Euro).

Das alles ist definitiv mit viel Ambition gemacht. Und vegane Weine sind ja auch teuer. Unser weißer Burgunder lag mit seinen 20,60 Euro im unteren Segment, war dafür aber sogar ganz trocken und ausgewogen. Vielleicht hätte ich davon trotzdem nicht so viel trinken sollen, denn leider spukte in meinem Kopf der unkorrekte Vorsatz herum, mal wieder das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ zu lesen und beim nächsten Appetit auf vegane Cuisine eine schöne Schüssel Obstsalat in der eigenen Küche zu machen. Das kostet ungefähr zehn Euro, und drei Freunde werden davon auch noch satt. Leider gibt es nach meinem Gefühl einen gewissen Mangel an vernünftigen vegetarischen Restaurants, weil sich im Moment alles auf den veganen Trend stürzt. Das halte ich für einen Fehler.

Vielleicht wäre ich etwas milder gestimmt, wenn ich nicht wiederholt im Verhör-Ton gefragt worden wäre, was ich mit dem Toilettenschlüssel angestellt hätte. Die richtige Antwort lautete „Auf dem Waschbecken vergessen“. Geht gar nicht. Voll war’s trotzdem.

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