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Von TISCH zu TISCH: New Orleans

Gumbo und Jambalaya

Wenn die Kellnerin den Prosecco serviert mit den Worten „Ich hoffe, er ist noch okay“, dann sollten sämtliche Alarmglocken schrillen. Es könnte sich um das Motto der Küche handeln. Auf das „New Orleans Haus“ hatte uns eine Amerikanerin aufmerksam gemacht, die wir zufällig bei einer besonders netten Party getroffen hatten. Der Betreiber könne nicht verstehen, dass noch keine Restaurantkritik über sein Lokal geschrieben worden sei, erzählte sie uns. Das wünsche er sich so. Da ich in New Orleans und Umgebung schon einige Male sehr gut gegessen habe, sprach nichts gegen eine rasche Erfüllung dieses Wunsches, im Gegenteil.

Das Lokal war fast leer, als wir dort eintrafen. Und der Aperitif schmeckte, als habe er eine ganze Weile seines Daseins als Restpfütze in einer angebrochenen Flasche gefristet. Mehr als einen Probierschluck brachten wir davon nicht runter.

Auch das Bohnenmus, das zum Brot serviert wurde, schmeckte fürchterlich. Spinat- und Artischocken-Dip gilt als Klassiker und wird mit gerösteten Brotscheiben serviert, die angeblich Bio sind. Entweder der hauseigene Gewürzmix hat da eine Note von Schimmelgeschmack rein gebracht, oder der Dip war ebenso betagt wie der Prosecco (4,90 Euro). Die Tasse Hühnchen und Andouille Gumbo war gefüllt mit einer fast kalten Suppe mit einer angeblich eigens von einem einheimischen Fleischer hergestellten Wurst. Auf diesem Temperaturlevel war sie freilich ungenießbar, und es kam auch niemand darauf, uns eine aufgewärmte Version zu servieren (3,80 Euro).

Beim Flusskrebs Etouffée liefert die Speisekarte gleich eine Beschreibung dazu, wie das gemacht wird, beginnend mit Butter und Mehl und dann unter Hinzufügung von Zwiebeln, Sellerie, Paprika und „frischen Louisiana Flusskrebsen“. Nun ja, Louisiana liegt nicht um die Ecke, und wer weiß auf welchen Wegen die Tierchen nach Kreuzberg gelangt sind. Vielleicht zu Fuß? Das Ergebnis ähnelte verdächtig dem, was der Volksmund als „Pamps“ bezeichnet (8,90 Euro).

Man ahnt nun schon, dass die „Kreolische Jambalaya“ das Ergebnis nicht herausreißen konnte. Keine Ahnung, ob ich schon mal je ein so zähes Stück Huhn zwischen den Zähnen hatte. Geschmack und Geruch waren Welten entfernt von dem, was ich in New Orleans als kreolische Küche kennen- und schätzen gelernt habe. Der „Kreolische Käsekuchen“ kam offenbar direkt aus dem Kühlschrank, schmeckte kalt und kein bisschen delikat (3,60 Euro).

Das weiche Maisbrot konnte man immerhin essen, es wurde mit scharfer Sauce serviert (1,70 Euro). Auch die 2009er Flasche Riesling war frisch entkorkt in Ordnung (13,80 Euro). Hatten wir einen superschlechten Tag erwischt?

Mit Sorgenfalte kam der amerikanische Chef an unseren Tisch. Dass es uns nicht geschmeckt hatte, war leicht daran zu erkennen, dass wir von allem nur wenig probiert hatten. Es seien aber doch alles Rezepte von seiner Großmutter, gab er zu bedenken und versprach, dass in nur wenigen Wochen das Speisenprogramm tiptop sein würde. Zwei Ratschläge auf dem Weg dorthin: Unter Umständen hilft es, uralte Rezepte vorsichtig modernen Essgewohnheiten anzupassen. Es kann sich aber auch schon als nützlich erweisen, die Gerichte nicht ganz so alt werden zu lassen, wie die Oma, bevor man sie den Gästen vorsetzt.

Die Schwarzweiß-Fotos an den Wänden und der Jazz im Hintergrund sind bislang die einzige Empfehlung für das New Orleans Haus. Ansonsten ist das Ambiente nüchtern, blanke Holztische, auf dem Tresen ein altes Radio und ein Stapel zerlesener „Herald Tribunes“, im Nebenraum ein Tisch wie vom Sperrmüll.

Die Bauchschmerzen am Tag danach können natürlich auch ganz andere Ursachen gehabt haben. Trotzdem. Der Mann hat offensichtlich Glück gehabt, dass er der Aufmerksamkeit von Restaurantkritikern entgangen ist. Vielleicht sollte er zunächst lieber untersuchen, ob Ausstattung und Knowhow dem Mindeststandard vergleichbarer Restaurants entsprechen. Nur um sicher zu gehen, dass er mit seinem überbordenden Selbstbewusstsein keinen Schaden anrichtet.

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