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Von TISCH zu TISCH: Pret à diner

Topinamburknollen mit gehobelten Esskastanien

Normalerweise schreiben wir diese Restaurantkritiken, damit unsere Leser hinterher auch hingehen und genießen können – oder wenigstens gewarnt sind. Das funktioniert diesmal nicht, weil der Küchenchef schon wieder weg ist, streng nach Plan. Und in drei Wochen folgt ihm das ganze Restaurant.

Trotzdem ist der Hype um das „Pop-up-Restaurant“ namens „Pret à diner“ gewaltig und erzwingt einen Bericht. Zumal der Caterer Klaus-Peter Kofler, der es fünf Wochen lang betreibt, sich überall für die Demokratisierung der Sterneküche zum Billigtarif feiern lässt, tolles Essen ohne Chichi, so in dieser Richtung. Richtig ist, dass Matthias Schmidt, der erste der drei Köche, in der Frankfurter „Villa Merton“ einen Stern erkocht hat. Richtig ist aber auch, dass das, was er hier in Berlin angerichtet hat, davon kaum weiter entfernt sein könnte.

Das Restaurant in der notdürftig hergerichteten Münzanstalt in Mitte sieht ungefähr aus wie der Jugendkeller der St.Florians-Gemeinde. Gemüsekisten, lose zusammengenagelte Tische, allerhand Sperrmüll aus dem Fundus, Kerzen, dazu Musik vom DJ zwischen elegant und fies. 140 Gäste passen hinein, und sie sind auch alle da, das macht gute Stimmung. Zwei Drei-Gang-Menüs stehen zur Wahl, die Arbeitssprache ist Englisch, soviel Arroganz muss sein. Wer also nicht begreift, was sich hinter „A diffused chestnut rests its head on the topinambur’s chest“ verbirgt, der kann nur hoffen, dass er keinen von den Kellnern erwischt, die auch nicht durchblicken und die Gänge freundlich wortlos hinstellen.

Schon mit dem ersten Gang wird deutlich, dass hier vom Essen bis zum Stil des Service kein geringeres Vorbild Pate stand als das Kopenhagener „Noma“, das gegenwärtig interessanteste Restaurant der Welt. Nichts dagegen – nur kann man ein so perfektionistisch und persönlich geführtes Unikum nicht mal eben nachäffen. Ein wenig Saiblingstatar mit sahnigem Kresseschaum und Salat im Blumentopf-Untersetzer, das ist ganz okay, dazwischen lagert – es ist dunkel hier – eine schwarze, staubige Substanz mit einzelnen scharfkantigen Brocken, pulverisiertes Brot? Als vegetarische Alternative kommen lauwarme Scheiben von Gelben Beten mit etwas Joghurtsauce, belanglos.

Dies gilt auch für den weich gekochten Romanesco, der mit einer neutralen dunklen Sauce und eisig aufbereiteten Flocken von Öl serviert wird, das mit Fichtennadeln aromatisiert sein soll – schmeckbar ist das nicht. Sensorisch spielt sich alles im Spektrum breiter Gemüsigkeit ab, keine Säure, keine Süße, kein Gewürz, keine geschmacklichen Kontraste – was soll das? Auch das helle Püree für Vegetarier, in dem Blumenkohl offenbar eine Hauptrolle spielt, lastet mampfig auf der Zunge wie eine Karikatur aus der Öko-Hasser-Bewegung, von Schnittlauchöl und ein paar gepoppten Amaranth-Körnern kaum merklich akzentuiert.

Der gut ausbalancierte Müritz-Lammrücken mit Püree von Petersilienwurzeln, Petersiliensauce und Meerrettich-Granité entspricht dann endlich den Erwartungen, und die gekochten Topinamburknollen mit gehobelten Esskastanien deuten zumindest an, welche Richtung eine moderne Gemüseküche einschlagen könnte. Gutes Dessert: Hagebutteneis mit Äpfeln und Apfeltee-Sorbet, langweiliges Dessert: Schokomousse mit Zuckerrüben-Pulver (drei Gänge 39, vier 47 Euro, ein gutes Dutzend Weine um 30 Euro). Ein eloquenter Restaurantchef bespaßt Premium-Gäste, während andere schon froh sein können, wenn der indiskutable Service sie nicht beim Wein-Nachschenken mit Wasser aus dem Eiskübel bekleckert.

Das Ärgerliche an dieser Darbietung ist die Suggestion, hier werde „der Michelin-Stern demokratisiert“. Das Gegenteil ist der Fall. Zum gleichen Preis verkaufen beispielsweise das Kreuzberger „Volt“ und andere sternlose Restaurants besseres Essen mit bedeutend höherem Wareneinsatz. Gegenwärtig kocht im „Pret à diner“ übrigens Bernhard Munding (bis 5.2.), dann kommt Wahabi Nouri (bis 20.2.). Beide können es, das ist die gute Nachricht für alle, die noch hin wollen, eigentlich nur besser machen.

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