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Von TISCH zu TISCH: Riehmers

Ochsenbacke mit breiten Bohnen

Unter den vielen Hunden der Berliner Gastronomie ist Hartmut Guy sicher einer der buntesten. Der gelernte Schauspieler und angelernte Gastwirt kann mehr Geschichten über die Branche erzählen als irgendwer sonst, weil er mehr erlebt hat. Den Anfang nach der Wende im eigenen Gasthaus draußen auf den gottverlassenen Kartoffelfeldern bei Werneuchen, Brand und Wiederaufbau, Umzug ins hauptstädtische „Guy“ am Gendarmenmarkt, Scheitern mit dem Ableger „WeinGuy“, schließlich, gerade erst, die Pleite mit dem „Guy“ wegen nicht mehr finanzierbarer Pachtforderungen – sein kürzlich veröffentliches Buch „Guygantisches Gourmet-Theater“ schildert diesen Ritt detailliert.

Jeder andere würde nun nur noch auf dem Sofa sitzen (sofern es nicht schon weggepfändet ist) und auf den Schuldnerberater warten. Aber Guy ist nicht so einer. Während er noch plante, mal wieder als Schauspieler zu arbeiten, bekam er Wind von der Absicht des Pächters, das alteingesessene Kreuzberger „Riehmers“ aufzugeben, ein ebenso beliebtes wie verstaubtes Lokal mit österreichischer Küche. In der Zeit, in der andere bestenfalls überlegt und verhandelt hätten, überlegte und verhandelte und renovierte und zog er ein und eröffnete – und nun ist das „Riehmers“ wieder eine empfehlenswerte Adresse, ein Schmuckstück mit Wiener Charme.

Das liegt natürlich vor allem an Küchenchef Marcus Zimmer, der schon im „Guy“ gute Arbeit geleistet hat, allerdings auf völlig anderem Niveau. Denn dort kam aus der Küche respektable, ziemlich kostspielige Gourmet-Kost, im Riehmers dagegen bleibt das Gebotene in jeder Beziehung am Boden, preislich und stilistisch. Dennoch, und das ist das Entscheidende, merkt man das Handwerk des guten Kochs, der den Geschmack im Auge hat und deshalb auch vermeintliche Banalitäten adelt. Der Backhendl–Salat ist also einfach köstlich, dezent mariniert und mit knusprig zartem Huhn (8,50).

In einem „Sommer-Menü“ für bescheidene 28,50 Euro gibt es zunächst gebratenen Saibling mit Schmorgurken, dann eine „Schweinerei“ mit geschmortem Bauch, gebackenem Eisbein, hausgemachter Wurst, deftig abgeschmeckt, schließlich eine gut gemachte Crême brulée mit Aprikoseneis – das ist als umfangreiches Abendessen für den Preis schwer zu überbieten. Ausgezeichnet schmeckte uns auch die zart geschmorte Ochsenbacke auf breiten Bohnen mit Schnittlauch-Kartoffelpüree (17,50 Euro), deren profunder dunkler Fleischjus die Meisterhand erkennen ließ.

Hinterher ist man satt, das ist auch völlig okay, das ist ja kein eitles Degustationsmenü. Die drei Eissorten (6 Euro) passten noch hinein – nun ja, die hätte ich mir prägnanter herausgearbeitet vorstellen können, der Vanille fehlte die Süße, und Aprikose und weißer Pfirsich blieben sehr blass im Aroma, vermutlich zu kompliziert gedacht. Wie man Eisaromen auf den Punkt bringt, lässt sich übrigens ein paar Schritte weiter die Straße hinunter bei „Vanille&Marille“ in Perfektion probieren. . .

Ein kleiner Einwand zweifellos, der ja auch nur für den Augenblick gilt, wie ich vermute. Für den größeren Hunger hält die Küche ja auch noch den in diesem Zusammenhang obligatorischen Kaiserschmarrn bereit, den ich nicht probiert habe. Was gibt es für Weine? Die ganz rund sortierte Karte ist noch in der Schwebe zwischen alt und neu, vieles wird als „Ausgetrunken“ notiert, und vermutlich wird der bislang stark österreichische Schwerpunkt ein Stück in Richtung Deutschland verschoben. Preisbeispiel: Ein gradliniger Grüner Veltliner von Angerer kostet 24 Euro.

Entscheidend für die Atmosphäre ist natürlich der persönliche Einsatz von Hartmut Guy, der hier wieder handfest kellnert wie damals auf dem Land. Sein leutseliger Stil ist polarisierend, manchem Gast etwas zu wortreich – aber das sollte man einfach selbst ausprobieren. Eines der schönsten Details dieses Restaurants ist der lauschige Gastgarten. In diesem Sommer war er nicht viel wert, aber es werden weitere Sommer kommen. Denn der ewige Sucher Hartmut Guy sollte hier zur Ruhe kommen können.

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