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Von TISCH zu TISCH: San Nicci

Walnuss-Panzerotti mit Birnenwürfeln

Vermutlich hat sich Roland Mary, der Chef des „Borchardt“, die Sache mit dem „San Nicci“ leichter vorgestellt. Vorn die Friedrichstraße, hinten der Admiralspalast, dazu sein solides Know-How und die selbstverständliche Attraktion gehobener italienischer Küche – was sollte da schon schief gehen? Doch dann geschah, was in Berlin bei praktisch allen Neugründungen geschieht, das Personal kam und ging, die Küche schlingerte von Chef zu Chef. Und die Großbaustelle am Tränenpalast gegenüber dürfte Gäste auch nicht gerade magisch hineingezogen haben.

Deshalb ist auch dies hier sicher nur ein Zwischenbericht. Doch es gibt immerhin seit längerer Zeit wieder einen guten Küchenchef, Daniel di Fabio, der in München bei Schuhbeck und im nudelberühmten „Acquarello“ gekocht hat; bleibt zu hoffen, dass er seinen zuletzt vom „Brechts“ über Schloss Hubertushöhe bis ins San Nicci unstetig hüpfenden Berufsweg nicht demnächst anderswo weiter fortsetzt.

Denn vor allem die Vorspeisen und Nudeln gelingen ihm ausgezeichnet. Klassiker möbelt er gekonnt auf, beispielsweise das perfekte Vitello tonnato, das mit einem sanft zitruswürzigen Thunfischtatar auf den Teller kommt. Neuerungen wie das Taschenkrebsfleisch mit Avocadocreme, Hummer und Curryöl sind von Anfang an stimmig komponiert, und die handwerkliche Sicherheit beim zart glasig gegarten Hummerfleisch imponierte. Die Qualität der Nudelgerichte sollte von Rechts wegen eine wahre Völkerwanderung der Fans auslösen, denn Dinge wie die hauchdünnen Panzerotti mit Walnussfüllung, Birnenwürfeln und Parmesanbutter sind schlicht nicht besser zu machen, und auch die nicht zu tomatige Minestrone mit Artischocken und Salbei-Spinat-Ravioli überzeugte.

Dann kam der Absturz in Gestalt des „Saltimbocca San Nicci“: eine winzige Scheibe Seeteufel an der Gräte mit Speck und Salbei auf einem großen Nudelblatt mit „Kardamom-Salbei-Emulsion“ und – Kartoffelpüree. Abgesehen davon, dass die Kombination von Nudeln mit Püree außer übertriebener Zufuhr von Kohlehydraten keinen Sinn ergibt, war der Fisch zäh, trocken, völlig übergart, und die Sauce blieb bedeutend blasser, als sie sich auf der Karte las. Viel besser schmeckte der geschmorte Kalbstafelspitz auf Schwarzwurzeln, und die Desserts hielten sich irgendwo im Mittelfeld, besser das Halbgefrorene vom Panettone mit Grappa-Früchten, schwächer die von zu vielen Weihnachtsaromen dominierten Ricottaknödel mit Orangeneis und Feigen. (Vorspeisen 7-22, Pasta 9-19, Hauptgänge 18-34 Euro).

Ein ungutes Déjà-vu-Erlebnis hatte ich mit den Weißweingläsern, den altbackenen, billigen und viel zu kleinen, die es sonst weltweit vermutlich nur noch im „Borchardt“ gibt, wo sie den Genuss auch zuverlässig vermurksen. Als wir darum baten, den sizilianischen Viognier „La Chiare“ von Maurigi (43 Euro) in den viel besser geeigneten Rotweingläsern zu servieren, zeigte der junge Kellner geradezu enthusiastische Freude; der Wein schmeckte dann auch wirklich gut. Überhaupt ist die mittelgroße, je zur Hälfte mit italienischen und europäischen Weinen bestückte Karte vergleichsweise freundlich kalkuliert.

Das hier ist ein Zwischenbericht, wie gesagt, aber einer mit durchaus optimistischer Note. Denn die Voraussetzungen stimmen, der große Raum mit den Säulen und gepolsterten Bänken verbreitet die angenehme Atmosphäre einer italienisch eingefärbten Brasserie, und niemand muss befürchten, von drei Tenören oder ähnlichen Klischeemusikanten zugeknödelt zu werden.

Und am späteren Abend schaut sogar mal der Chef persönlich herein, der seit kurzem ja auch noch die ganze O2-Arena bekochen lässt. Es ist ihm wohl ernst damit, hier einen der besseren Italiener Berlins zu schaffen – von dieser Sorte könnten wir noch ein paar Restaurants brauchen. Dieses Ziel ist nicht unerreichbar, wenn der Küchenchef bleibt und sich auch auf Dinge konzentriert, die ihm weniger liegen. Die Spitzenreiter „Gabriele“ und „Ana e Bruno“ aber spielen sicher dauerhaft in einer anderen Liga.

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