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Von TISCH zu TISCH: Sra Bua

Der schon wieder! Ich höre die Branche richtig aufseufzen, weil hier erneut von Tim Raue die Rede ist, auf den sich ja schätzungsweise 75 Prozent aller Berichte beziehen, die weltweit über Essen in Berlin geschrieben und gesendet werden.

Es ist nun allerdings so, dass dahinter keine besonders raffinierte PR-Strategie steckt oder anderes Teufelszeug mit roten Teppichen und Hollywood-Stars. Sondern: Da macht einer einfach, folgt seinem Instinkt, nutzt seine Konjunktur, fährt volles Risiko – und schafft es nebenbei auch noch, außergewöhnlich gute, persönliche Gerichte abzuliefern. Und darüber, sehr verehrte Konkurrenten, schreibt sich nun mal leichter als über Stagnation oder Ich-auch-Küche, ganz gleich, auf welchem Niveau.

Sra Bua ist ein neues Konzept der Kempinski-Gruppe, das gegenwärtig weltweit ausprobiert wird: Asiatische Küche mit Thai-Schwerpunkt, denn das Wort stammt von dort und bedeutet „Lotosblütenteich“. Aber diese Küche wird gesehen durch die Brille eines einschlägig bewanderten europäischen Kochs. Die Wahl Raues für Berlin lag nahe, zumal er den Raum bestens kennt: Es handelt sich um sein altes „Ma“, das damals von Jagdfelds Adlon-Holding betrieben wurde. Nun ist es ein Kempinski-Betrieb und untersteht Adlon-Chef Oliver Eller.

Das Küchenkonzept: Vorspeisen wie bei Raue, einige Hauptgänge auch, aber da dominieren eher verschiedene Currys, die es aus seiner Küche bisher nicht gab. Das Ergebnis hat eindeutig Garküchen-Touch, das soll so sein. Keine Foto-Inszenierungen, sondern Schmackofatz zum Wegessen, in einer vegetarischen Variante mit Süßkartoffeln, Cashew, Auberginen, kleinen Zwiebeln, oder sehr fleischlich mit Schweinebauch und Paprika. Alles schmeckt differenziert, ohne betonte Schärfe, die Details kommen zur Geltung, es gibt keinen Einheitsbrei wie sonst, wenn in Deutschland „Thai“ draufsteht. Wir probierten aber auch Kabeljau mit Pak Choi und Tamarinde, sehr klar und pur Raue (der selbst aber weiterhin in Kreuzberg kocht).

„Ruam Gan“ heißt die Bestellung, die Küchenchef Daniel Lengsfeld wohl am liebsten hört. Dann fährt er (für 68 Euro pro Kopf) sechs Vorspeisen, vier Hauptgänge und drei Desserts auf, und der Gast muss nicht lange grübeln, sondern lässt sich überraschen. „Ruam Gan“ steht aber auch für „Teilen“, es gibt also immer nur einen Teller pro Gericht zum Herumreichen, aber eine animierende Vielfalt von Kleinigkeiten: Hamachi mariniert á la Ceviche, rohe Garnelen mit Wasabi auf Reis, Rinder-Tataki mit Ponzu, dazu die im Raue-Reich unvermeidliche Pizza mit rohem Thunfisch – bitte, das sind exakt die Sachen, die wir uns vergeblich wünschen, wenn wir beim Dutzend-Asiaten sitzen, gute Produkte, einfallsreich und ohne Schnörkel angemacht. Bei den (weniger ambitionierten) Desserts ging es mir ein wenig zu süß zu, weil die Kontraste fehlten, es gab grüne Macarons, die ohnehin nicht so mein Fall sind, kleine Süßkartoffel-Kuchen und ein Süßkartoffel-Eis.

Gut so. Nun das Aber. Was ist das für ein Restaurant? Es passte zum „Ma“, dessen Blickfang das antike, effektvoll illuminierte Pferd in der Raummitte war. Das musste weg, vermutlich, weil es Jagdfeld gehörte. Doch dort steht nun eine flache, schwarze Metallskulptur, die eine Lotosblüte darstellen will und als Mittelpunkt nicht taugt. Schlimmer sind die abgeschabten Polster, und dass dort, wo einst Efeu die Wand hinter den beweglichen Scheiben überwucherte, nun eine Art Nato-Tarnnetz aus Plastik hängt. Wie scheußlich ist das denn?

Solche Sachen fallen einem vor allem dann auf, wenn die Atmosphäre nicht stimmt. Es kommt wohl darauf an, ob das Haus voll ist oder nicht. Falls nicht, dann wirkt alles trotz des geschmeidigen Services unter Stefan Grill recht steif, man fühlt sich Hotel-befangen und keineswegs wie in einer Bangkoker Straßenküche.

Und noch etwas habe ich nicht verstanden: Die Weinkarte ist gigantisch. Aber auch so gigantisch kalkuliert (z. T. mal 7) dass jeglicher Schwips ein Vermögen kostet – Adlon halt. Ich würde deshalb privat nicht wiederkommen.

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