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Von TISCH zu TISCH: Volt

Rosa Taubenbrust mit marinierten Aprikosen

Der gute Ruf eines Restaurants ist schwer aufzubauen und leicht wieder zu ruinieren. Beispiele für dieses Phänomen hat es in Berlin viele gegeben, und das letzte, das mir gerade einfällt, war das Kreuzberger „H.H.Müller“ im ehemaligen Umspannwerk am Paul-Lincke-Ufer. Einst hochgeschätzte Adresse für gutes, nicht zu teures Essen in Kreuzberger Atmosphäre mit Blick auf den Landwehrkanal, dann nach dem Abgang des langjährigen Küchenchefs Matthias Gleiß blitzschnell im Nichts versunken und schließlich still geschlossen.

War da was?

Nun ist Gleiß wieder da, und zwar in der Rolle des Miteigentümers, und er hat klugerweise einen neuen Namen gewählt. „Volt“ tilgt zwar das Andenken des Baumeisters Müller, klingt aber bedeutend mehr nach kulinarischer Spannung, wie sie diesem historischen Gebäude wohl angemessen ist. Die Inneneinrichtung des bekanntlich sehr hohen Saals wurde ein wenig retuschiert, es stehen neue Möbel drin und die neue Beleuchtung mit kupferfarbenen Kugelleuchten darf als optimal für den schwierigen Raum gelten. Man kann sich wohlfühlen, auch wenn die hallige Akustik nichts fürs Flüster-Dinner ist.

Matthias Gleiß setzt in seiner Küche stärker als früher auf regionale Akzente, kocht aber dennoch nicht bodenständiger, sondern eher feiner und differenzierter als in seiner Kreuzberger Frühzeit. Beispielhaft dafür ist der Salat aus verschiedenen, genau abgepassten Bohnensorten mit Speck und angeräuchertem Fleisch vom Neuzeller Schwein, der als leichte Vorspeise bestens funktioniert. Aroma und Leichtigkeit verbindet auch die Selleriecremesuppe, die durch eine gebackene Geflügelpraline und ein Stück Trüffelbrot abgerundet wird; fabelhaft schmecken die Blutwurstravioli mit Birne und einem perfekt gebratenen Stück Entenstopfleber.

„Aal und Krebse“ besteht aus mehreren Teilen: Saftigen Krebsschwänzen in einer Krebssauce sowie Räucheraal und Kohlrabistreifen mit einer – aromatisch etwas zu dezenten – Portwein-SenfMousse, sehr hübsch auch fürs Auge. Saftig rosa kommt die Taubenbrust auf den Tisch, begleitet von marinierten Aprikosen, Artischocken und etwas Mandelknusper.

Mithin ist der Küchenchef auf überzeugende Weise dem Verdacht entrückt, er könne in seiner Auszeit den Anschluss verloren haben. Nur bei einem Gericht waren wir unzufrieden, dem Zanderfilet mit Kürbis, Kerbelrüben und Kardamomsauce, denn die gleichermaßen mehligen Gemüse aßen sich nur mühsam und es fehlte die ausbalancierende Säure auch in der Sauce.

Dafür entschädigte das prächtige Kalbskotelett mit Rosenkohl, Schnittlauchpüree und einem tiefen Rosmarinjus. Ebenso erfreulich fielen schließlich die beiden Desserts aus, Quittenvariationen sowie „Grieß-Geschichten“, ein paar kleine Häppchen mit Birnenkompott und Marzipan. (Vorspeisen um 14, Hauptgänge um 24, Desserts um 10 Euro, Menüs 32/38 Euro).

Ja, das war doch ganz gut, oder? Auch die Weinkarte passt ins Konzept, bietet zu vernünftigen Preisen Aktuelles aus Deutschland, Österreich, Frankreich, beispielsweise einen guten 2009er Grauburgunder „Kalkmergel“ von Gerd Bernhart in der Südpfalz für 32 Euro. Bei unserem Besuch dauerte fast alles ein bisschen zu lange, das war erkennbar die Folge einer Gesellschaft, die den größten Teil des Raums beanspruchte.

Das kann hier passieren, es ist ein recht großes Restaurant; normal dürfte es angesichts der großen Professionalität von Küche und Service nicht sein. Und immerhin ist damit auch eine, wie man so sagt, Location auf dem Markt zurück, die im großen Saal nebenan Platz für hunderte Gäste bietet. Die hübsche Terrasse ist im Moment weniger von Belang, aber sie dürfte im Frühjahr doch wieder großen Charme entfalten.

Das hat also was und kann wieder bedenkenlos angesteuert werden. Zusammen mit dem wundersam höhenfliegenden „Horvath“ weiter vorn an der Straße ist diese Ecke von Kreuzberg nun wieder kulinarisch voll besuchstauglich.

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