zum Hauptinhalt

Von TISCH zu TISCH: WeinGut

Kotelett vom Milchferkel mit Zwetschgenconfit

Das Restaurant Weingut ist so klein und die dazugehörige offene Küche im Vergleich so groß, dass man sich unwillkürlich fühlt, als sei man zu Besuch bei Freunden. Gestapelte Weinkisten beherbergen Gutes aus Deutschland und Italien. Auch einige wenige französische Weine sind vorhanden. Drei vielversprechend auftretende junge Männer schmeißen den Laden. Trotz der doch extrem kleinen Karte spürt man das gewisse Etwas von Anfang an. Es ist voll und trotzdem gemütlich. Hinter dem großen silbernen Kühlschrank duftet es verführerisch nach gebratenem Fleisch. Auf den winzigen Holztischen brennen Windlichter.

Über uns prangt nur ein einziges Gericht auf der Schiefertafel: Kotelett vom Milchferkel mit hausgemachtem Zwetschgenconfit. Zwischen den rosa Tranchen vom Kalbsfilet auf Blattspinat und der gebratenen Kaninchenleber mit Salat firmiert es auf der Karte als Vorgericht. Aber man kann es doch gewiss auch als Hauptgericht bekommen? Der erste junge Mann zieht die Nase kraus. „Das glaube ich eigentlich nicht.“ „Aber wieso nicht, müsste man doch nur statt einem zwei Koteletts auf den Teller legen.“ So einfach sei es nun auch wieder nicht, beschied uns der schwarz gekleidete Kellner. Es bestehe die Gefahr, dass die Proportionen verloren gingen.

Zunächst mal lockte mich die „Kleinigkeit zum Wein“, ein Überraschungs-Tapa. Vier hauchdünne Scheibchen Rinder-Carpaccio vom Durchmesser eines Hot Dogs, darauf eine Anmutung von Bonsai-Salat und drei Käse-Schnitzer (2,50 Euro). Nur gut, dass schon ein ordentlicher Schluck des sehr guten Pfälzer Winzersekts von Theo Minges und zwei Scheiben von dem köstlichen Weißbrot mit Knusperkruste eine Unterlage geschaffen hatten. So ein zartbesaitetes Amuse-Gueule hätte ich aus Männerhänden gar nicht erwartet.

Etwas kräftiger waren die Blattsalate mit gerösteten Sonnenblumenkernen und gebratener Kaninchenleber, eine veritable Schüssel voll und sehr gut angerichtet. Vorsichtshalber hatte der Koch noch einige Streifen gebratenen Kaninchenrücken als Sättigungsergänzung dazugelegt, weil es sich in diesem Fall ja um die Vorspeise zur Vorspeise handelte.

Das Milchferkelkotelett war so lecker wie winzig, ebenso das hausgemachte Confit von den Zwetschgen. Zwei Stückchen kross gebratener Haut lagen auch daneben. Hätte man deren Anzahl verdoppelt und einen größeren Teller genommen, dann hätte durchaus die Chance bestanden, mit einem zweiten Kotelettchen die Ästhetik der korrekten Proportion zu retten. Sehr gut geschmeckt hat es jedenfalls (12,50 Euro). Keine Sehne, kein Knorpel, exakt gegart, kräftiger Geschmack, innen von gleichmäßiger rosa Farbe: Genau so muss ein Rumpsteak sein. Dazu gab es knackige grüne Bohnen, drei halbe Rosmarinkartoffeln und dezenten Portweinjus (23,50 Euro).

Die kleine Auswahl von viererlei Rohmilchkäse hätte vor dem Servieren durchaus etwas mehr Zeit außerhalb des Kühlschranks verbringen mögen und insgesamt noch etwas reifen wollen. Der Feigensenf passte gut dazu (4 Euro).

Ein Höhepunkt des Essens war ganz sicher das Schokoladenküchlein mit Gewürzorangen und Rosmarinkirschen. Das hatte so eine festtägliche Vielfalt an Aromen, dass es schade gewesen wäre, wenn wir das wegen Übersättigung verpasst hätten. Dazu passte wunderbar die Weinempfehlung, eine edelsüße Minges Rieslaner Auslese aus dem Jahr 2007 (4,90 Euro).

Ansonsten haben wir die ausführliche Weinberatung zwar genossen, aber weitgehend nicht befolgt und bekamen trotzdem überschwängliche Komplimente dafür, dass wir uns für die Cuvée Gaudenz von Knipser aus der Pfalz, auch genannt „der kleine Xer“, entschieden haben, einen fruchtig-gehaltvollen Rotwein aus sieben verschiedenen Traubensorten (24,50 Euro). Gut, die nahezu badewannengroßen Gläser sprengten fast das Format des Tisches, gaben dafür aber einen guten Anlass, das Thema Proportionen weiter zu vertiefen. Ein schöner Ort, an dem die Lust zum Philosophieren praktisch zum Ambiente gehört.

Zur Startseite