Was Gerti Hofmann liebt und hasst: Mein kulinarisches ABC
Sie ist eine gastronomische Instanz der Stadt: Gerti Hofmann vom „Florian“, einem Treffpunkt der Berlinale. Von süßer Blutwurst, Zechprellern und Eurogida: Teil 8 einer Serie.
ALLERGIE
Verblüffend, auf was die Menschen heutzutage alles allergisch reagieren: Gluten, Sellerie, Nüsse, Erdbeeren, Laktose… Für Köche ist das manchmal etwas mühsam, aber bitteschön: Wir bekommen das hin!
BAYERN
Das „Bayerische Kochbuch“ von 1931, geschrieben von Maria Hofmann (nicht verwandt mit mir), ist ein Klassiker und versammelt Krautwickel, Krustenbraten, Baumwollne Klöße, Serviettenknödel, saure Nierchen, die gute alte Mehlschwitze…, mehr als 1000 Rezepte aus der süddeutschen Muttiküche. Das Beste: immer noch aktuell, immer noch auf dem Markt, Respekt!
CHIA-SAMEN
Ein Korn der Maya, für sie waren die kleinen, schwarzen Samen Grundnahrungs- und Heilmittel. Proteinreich, cholesterinsenkend, entgiftend und antioxidativ. Und garantiert glutenfrei! Ich mag sie in Milch, auf das zehnfache ihrer Größe aufgequollen. So sehen sie aus wie Kaviar für Veganer. Zimt drüber streuen, Obst nach Gusto, fertig ist das Frühstück. Chia-Samen bestell’ ich im Internet.
DÖSEN
Das kleine, erholsame Nickerchen nach dem Essen ist leider aus der Mode gekommen. Und wer traut sich schon, im Restaurant kurz einzuschlafen?
EIER
Eignen sich nicht nur für Süßspeisen, sondern auch für heiße Verführungsszenarien, wie man in den Filmen „Tampopo“ von Juzo Itami (Eigelb mal anders) oder „Mit brennender Geduld“ von Antonio Skarmeta (ein Ei erkundet einen sehr schönen Körper) sehen kann.
FONTANE THEODOR
Schrieb 1894 an seine Tochter: „Die Verpflegungsfrage ist für den Kulturmenschen eigentlich das Wichtigste.“ Der Schriftsteller liebte nicht nur Wanderungen durch die Mark Brandenburg, sondern auch Ochsenbäckchen, die in Portwein und Ingwer geschmort waren.
GERÜCHTEKÜCHE
Als Wirtin hält man sich da besser raus... Oder lässt sich gezielt dafür einspannen.
Lieblingsspeise: Königsberger Klopse
HYPE
Am Anfang war der Mozzarella mit Basilikum, dann kam das Tiramisu, gefolgt vom Rucola (für meine Mutter war „Rauke“ noch schlicht Unkraut) und Trüffelöl undsoweiterundsofort. Solche Moden gibt’s beim Wein auch. Erinnert sich noch jemand an den Beginn der Trockenzeit? Stichwort: Edelzwicker.
IMMER
…wieder gerne: spazieren gehen zu jeder Jahreszeit im schönen Schlosspark Charlottenburg und anschließend auf einen vitaminreichen, kalt gepressten Saft und einen kleinen Lunch – leckere Gemüsesuppen oder Quinoasalat – zu „All about raw“ am Kaiserdamm 25, direkt am U-Bahnhof Kaiserdamm. Auch immer gerne: Ein Besuch in meinem favorisierten Buchladen am Savignyplatz, der Autorenbuchhandlung.
JAVIER BARDEM
Meine Freundin sagt: Ein Mann zum Anknabbern. Wer’s nicht glaubt, schaut sich an: „Eat, Pray, Love“. „No Country for Old Men“. „James Bond 007 – Skyfall“. „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“. „Der Obrist und die Tänzerin“.
KANTSTRASSE
Oder im Volksmund gerne auch mal „Kantonstraße“ . Hat sich von den Import- und Exportläden nach der Nachwendezeit befreit. Da gibt’s die tollen Programmkinos Delphi, Filmkunst 66 und Kant Kino und für davor und danach die asiatische Fressmeile. Mein Favorit: Das „Soy“ mit seinem herrlichen Aquarium (neben dem Kant Kino).
LEIBSPEISEN
Königsberger Klopse, die besten macht Ute, meine Partnerin im Restaurant. Der Witz bei diesem Gericht ist das Verhältnis von Kalbshack, eingeweichten Schrippen, Eiern und der Gewürzmischung. Siehe auch Buchstabe B. Meine Nummer zwei: Fränkische Krautwickel. Auch zu finden bei B. Oder Quinoa-Salat, da gehören unbedingt hinein: Olivenöl, Nüsse, getrocknete Tomaten und ganz viel frische Minze und Koriander. Der Rest je nach Jahreszeit.
MORCILLA
Habe ich gerade auf der Kanareninsel La Palma kennen gelernt, eine spanische Blutwurst mit Honig, Zimt und anderen Gewürzen. Köstlich, geht zur Not auch als Dessert durch.
NÖÖÖÖHH!!
1) No shows im Restaurant (reservieren und ohne Absage nicht kommen). 2) Kork reklamieren bei Flaschen mit Schraubverschluss. 3) Nachos und Popcorn im Kino. 4) TTIP und CETA sowie andere von Lobbyisten im Geheimen verhandelte Abkommen. Auch private Schiedsgerichte, die unsere Rechtsprechung aushebeln.
OTTO SANDER
Er war so viele Jahre ein Freund und Stammgast. Die Flugente auf unserer handgeschriebenen Speisekarte sprach er gern französisch aus („Flühschant“) – er aß sie auch oft zu einem Glas Rotwein mit seinem Freund, dem großartigen Peter Fitz, der leider auch schon von uns gegangen ist. Ich liebe es, heute noch in der Bar jeder Vernunft oder im Tipi Otto Sanders Ansagen und seine Stimme zu hören: „Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren, ich bitte einen Moment um Ihre Aufmerksamkeit. Im Interesse der Künstler wird während der Darbietung nicht serviert. Ihre Getränkewünsche nehmen wir jetzt noch gerne entgegen...“
Da lacht das fränkische Herz
PEGIDA
Ich gehe lieber zu „Özgida“ und „Eurogida“, türkische Lebensmittelhändler mit hervorragendem Lammfleisch und frischem Gemüse. Filialen gibt’s in ganz Berlin.
QUARKKNÖDEL
Sie müssen fluffig und schön weich sein, in gerösteten Zimtbröseln gewälzt und warm mit Marillen- oder Zwetschgenkompott serviert. Mmmmh! Mit Parmesankäse verfeinert schmecken sie auch salzig.
REGIONALES
Beelitzer Spargel. Teltower Rübchen. Wild vom Gut Hirschaue. Zander aus der Müritz. Saalower Kräuterschwein. Spreewälder Gurken. Eisbein. Flusskrebse (auch bei Theodor Fontane) Pellkartoffeln mit Schichtkäse und Leinöl.
SAUERKRAUT
Wir kochen es richtig lange durch, mit Speck, Weißwein, Wacholder, Piment, Lorbeer, Nelken, Koriander, Pfefferkörnern, Zucker. Und dann wird es wieder aufgewärmt (neudeutsch: regeneriert), je öfter, desto besser. Da lacht mein fränkisches Herz.
TOURISTEN
Früher eine nicht besonders beliebte Spezies in der Szenegastronomie. Motto: Was wollen diese Fremden in meinem Wohnzimmer? Hat sich geändert. Berlin ist erfreulich international geworden. Bin ich selbst Touristin, treffe ich auf Köstlichkeiten wie beim Buchstabe M.
UNTERIRDISCH
Pfeifen und Zigarren bei Tisch, gutes Essen in den Müll werfen, Massentierhaltung, Zechpreller, falsch und laut singen im Restaurant.
VEGETARISCH
Das Image des geschmacklosen und lustfeindlichen Rohköstlers ist Schnee von gestern, es gibt grandiose Rezepte wie die von Yotam Ottolenghi, dessen Kochbücher (Verlag Dorsley Kindersley) ich jedem ans Herz lege.
WEISSBURGUNDER
Derzeit mein Lieblingswein. Frisch, elegant, nicht so säurehaltig. Winzer meines Vertrauens: Markus Schneider (Pfalz) und Karl H. Johner (Baden). Früher stand ich auf Grauburgunder.
XENOPHOBIE
Gibt’s in der Küche nicht! Wie würden wir essen und trinken ohne aus der Fremde stammendes wie Olivenöl, Reis, Kakao, Papaya, Curry, Sherry, Anchovis, Spaghetti, Muskatnuss, Feigen, Tomaten, Döner, Sushi, Pecorino, Pfeffer, Cognac, Bananen, Pizza, Vanille, Zimt, Rooibostee, Kaffee, Mozzarella, Mango, Pommes Frites, Parmesan, Pistazien, Sojasauce, Zitronengras, Oktopus, Erdnüsse, Sesam, Perigord-Trüffel, Sake, Roquefort…?
YAMSWURZEL
Sonst gibt’s nicht viel mit Y.
ZIEGENKÄSE
Wir hatten zu Hause drei Ziegen, damals, die Zeiten waren etwas magerer, sie waren bei meinen Eltern beliebt wegen ihrer fettreichen Milch. Meine Mutter machte daraus Butter und kochte damit: Knödel, Griesbrei, das Marmeladenbrot – alles zickte. Grauslich! Mein bis heute unbewältigtes Kindheitstrauma. Tolerant wie ich bin: Bei uns im Lokal servieren wir selbstverständlich Ziegenkäse.
Gerti Hofmann
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