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Panorama: Etwas Aufgewärmtes

Kachelmann sagt im Gericht vorerst nichts zum Tatgeschehen – dafür hat er seinen Humor wiedergefunden

Jörg Kachelmann, der Wettermann unter Vergewaltigungsverdacht, bleibt eine zwiespältige Person, auch vor dem Mannheimer Landgericht. Erst beklagen seine Anwälte das Ausbreiten seines Intimlebens, das Geifern der Presse danach, dann aber, als der prominente Fernsehmoderator am Montag eine erneute Aussage vor Gericht verweigert und stattdessen am Nachmittag aus den Ermittlungsakten vorgelesen wird, verzichtet sein Kölner Anwalt Reinhard Birkenstock darauf, den Ausschluss der Öffentlichkeit zu beantragen – was prozessual möglich gewesen wäre, auch das Gericht hatte es angeregt. So liegt jetzt endgültig alles auf dem Tisch im Strafprozess mit der größten Publikumswirkung der vergangenen Jahre. Jedenfalls alles, was Kachelmanns Intimvorlieben betrifft. „Ich schwöre bei allem was mit heilig ist, die Vorwürfe sind haltlos und falsch.“ So bekniete Kachelmann den Ermittlungsrichter bei seiner Vernehmung am 24. März. Es sei ein Treffen mit seiner Freundin Simone wie viele andere gewesen, Kachelmann sprach vom „üblichen Verfahren“, in Hotels oder bei ihr zu Hause, zehn- bis zwölfmal im Jahr. Wie immer habe es einen Austausch per SMS gegeben, seine minutengenaue Ankunftszeit sei Simone wichtig, wegen der richtigen Raumtemperatur. Sie habe ihn erwartet. Danach das Essen, etwas Aufgewärmtes. Ein Glas Weißwein. In der Küche sei er nicht gewesen, ein Messer habe er nicht angefasst; genau erinnern könne er sich nicht, er könne es auch nicht ausschließen. „Liebst du mich überhaupt?“, habe sie beim Sex gefragt, was Kachelmann als ungewöhnlich auffiel.

Ohnehin sei sie an ihm im letzten halben Jahr interessierter gewesen als zuvor. „Vielleicht bis du ja doch nicht so doof“, habe sie gesagt. Er habe keine gemeinsame Perspektive für sie gesehen, ihr es aber nicht gesagt. „Ich bin nicht treu.“ Ab und zu überwies er etwas Geld, eine gemeinsame Reise in die USA sei „frustrierend“ gewesen. Kurz darauf in jener Nacht habe sie ihn zur Rede gestellt über seine Beziehungen zu anderen Frauen. Es gab Streit, man habe sich getrennt. Und nein, Hämatome oder andere Verletzungen habe er keine gesehen. In seinen vielfältigen Frauenbeziehungen habe er Bestätigung gesucht.

Die Geschichte des angeblichen Opfers ist eine andere, aber Simone hat sie den Mannheimer Richtern noch nicht erzählt. Sie ist erst, nach dem Plan der Richter, in einigen Wochen dran. Aber am Montag ist sie noch einmal gekommen, es geht ihr darum, dass man ihr glaubt. Das Gericht hat die Sitzordnung geändert. Simone und ihr Rechtsanwalt Thomas Franz haben ihren Platz jetzt neben Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge, direkt gegenüber dem Angeklagten. Durch einen Nebeneingang betritt sie den Saal, im schwarzen Mantel, weißer Hose und hohen Stiefeln. Entschlossen, diesmal dem Angeklagten in die Augen zu schauen, mustert sie ihn; aber er weicht aus. Dennoch, er wirkt etwas gelöster als am ersten Prozesstag, auch Simone scheint der Druck der Premiere etwas genommen. Ab und zu lächelt sie. Kachelmann ist erneut in Anzug und Krawatte erschienen, jetzt aber mit entspannterer Miene, er witzelt wieder. „Beruf?“, fragt ihn der Vorsitzende Michael Seidling. „Ich hab mich als Meteorologe bezeichnet.“ „Und die Wetterfirma? Geschäftsführer?“ „Nein, Geschäftsführer nicht. Der schönste Ausdruck, den es dafür in der Schweiz gäbe, wäre Verwaltungsratspräsident.“ „Und wenn man das ins Deutsche übersetzt?“, fragt der Richter. „Kann ich nicht liefern.“ Dann die Anklage: In der Nacht vom 8. auf den 9. Februar soll Kachelmann nachts gegen halb eins seine damalige Freundin an den Haaren gepackt und, ein Messer am Hals, ins Schlafzimmer geschoben haben. Er habe sie auf das Bett geschubst, sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen, ihr dabei immer wieder Nase und Mund zugehalten, sagt Staatsanwalt Oltrogge. Und er habe gedroht, sie zu töten, wenn sie reden sollte. Strafbar als besonders schwere Vergewaltigung und gefährliche Köperverletzung. Simone verlässt den Saal. Zurückkehren wird sie erst zu ihrer Aussage. Als Nebenklägerin hätte sie das Recht zu bleiben, aber es wird selten wahrgenommen, weil man seine Aussage entwertet, wenn man anderen Zeugen zuvor zuhört. Für Kachelmann erklärt Anwalt Reinhard Birkenstock, sein Mandant werde sich nicht zur Tat einlassen, jedenfalls gegenwärtig nicht. Dieser Schritt der Verteidigung war erwartet worden. Kachelmann könnte sich mit einer weiteren Aussage nur in Widersprüche verwickeln oder, ob gewollt oder ungewollt, seine damalige Aussage vor dem Ermittlungsrichter relativieren. Dass er nun weitere Angaben verweigert, kann ihm laut Strafprozessordnung nicht nachteilig ausgelegt werden. Zudem hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe nach gegenwärtiger Aktenlage keinen „dringenden Tatverdacht“ mehr gesehen und den Moderator aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Beschluss bindet die Mannheimer Richter nicht, aber die Verteidiger können erst einmal abwarten, ob neue Beweise auf den Tisch kommen. Falls nicht, könnten sie mit der Beweiswürdigung der Karlsruher Richter argumentieren.

So hält es Anwalt Birkenstock bereits am Montag. Er wendet sich gegen die vom Gericht geplante Zeugenvernehmung und hält eine Art vorgezogenes Plädoyer. Die Gutachten zu Simones Aussage hätten die Unschuld Kachelmanns erwiesen. „Wir sind in einer Situation, die danach schreit, dass jetzt die Nebenklägerin vernommen wird“, sagt er. Stattdessen will das Gericht erst frühere Freundinnen von Kachelmann hören und die Eltern des angeblichen Opfers. Zehn jungen Frauen solle „zugemutet werden, über ihr Liebesleben zu berichten, ohne dass es zur Aufklärung der Tatnacht beiträgt“. Und er geht Ankläger Oltrogge an: Er soll statdessen vor Gericht als Zeuge auftreten und bekunden, er habe der Nebenklägerin am 20. April zugesagt, Kachelmann werde nicht aus der Untersuchungshaft entlassen – und das, obwohl sich damals ergeben habe, dass die Frau zuerst gelogen habe, als sie berichtete, wie sie Kachelmanns privates Mehrfachleben aufgedeckt habe. Die Zeugin der Anklage habe die erwiesene „Fähigkeit zur Konstruktion von Falschaussagen“ und eine „nicht unbeachtliche Fantasie- und Belastungstendenz“. Über die Anträge ist noch nicht entschieden. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

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