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Lena in Oslo.

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Eurovision Song Contest: Es ist nicht alles nur Musik

"Es liegt an Lena." Jörg Grabosch ist der Chef der Produktionsfirma Brainpool. Sein Job ist es, aus einem Hype, den Stefan Raab erzeugt, ein Geschäft zu machen. Und das geht im Moment fast von selbst.

Zwölfter Stock im „Stratos“-Tower über der Osloer Altstadt. Draußen geht hübsch die Sonne unter, drinnen schwitzen 40 Menschen bei 40 Grad auf Kunstledersesseln im Scheinwerferlicht. Es ist 22 Uhr 20, letzte Markierungen werden geklebt. „Tv total“ sendet aus Oslo. Die Band donnert los, Lena schleppt sich im dicken Norwegerpulli die Wendeltreppe hinauf und fällt in den Sessel neben Stefan Raabs Schreibtisch. Es war ein harter Tag. Aber jetzt: Showtime. „Alles dufte“, sagt sie, flirtet artig mit dem schwer verliebten Norweger Alexander Rybak. Und sieht aus, als freue sie sich auf ihr Bett.

Eine Stunde später, nach der Sendung, steht Jörg Grabosch auf der Terrasse, blickt über die Stadt und raucht eine dicke Zigarre. Er sieht zufrieden aus. „Tv total“ aus Oslo statt aus Köln – das hat Millionen extra gekostet, aber es hat sich gelohnt. Diese ganze Lena-Nummer ist ein Volltreffer. Jörg Grabosch ist der Chef der Produktionsfirma Brainpool. Sein Job ist es, aus einem Hype, den Stefan Raab erzeugt, ein Geschäft zu machen. Und das geht im Moment fast von selbst. „Für uns ist das ganz normales Musikbusiness“, sagt Grabosch, ein Baseballkäppi auf dem Kopf, ein Bier in der Hand. „Wir lieben Lena natürlich alle. Aber das ist eben auch ein Geschäft.“

Brainpool, die Plattenfirma Universal, die ARD, Pro 7 – gleich vier Väter des Erfolgs fordern ihren Teil vom Lena-Kuchen ein. Sie ist nicht mehr nur ein deutsches Glückskind, sondern längst auch ein Goldesel. Mit drei Top-Fünf-Hits, 500 000 verkauften Singles von „Satellite“, 100 000 verkauften Alben von „My Cassette Player“ – und umschwärmt von einer europäischen Medienmeute, die von Lena angezogen wird wie Metallsplitter von einem Magneten. Mit der Marke „Lena“ werden Millionen umgesetzt. Brainpool hat mit der Plattenfirma Universal ein 50/50-Joint-Venture abgeschlossen und eigens ein neues Musiklabel namens „USFO“ gegründet („Unser Star für Oslo“). Schnell erkannte man in Köln das Potenzial der Schülerin: Schon im November, drei Monate vor ihrem ersten TV-Auftritt bei Raab, sicherte sich Brainpool die Adresse www.lena-meyer-landrut.de.

T-Shirts (20,99 Euro), Kaffeebecher (8,99 Euro) und Baumwollbeutel (4,99 Euro) mit Lena-Konterfei verkauft Universal über die Tochterfirma Deutschrock Merchandise GmbH. Sie gehen weg wie geschnitten Brot. Wie viel Prozent des Erfolgs gehen auf Lenas Kappe, wie viel auf das viermonatige PR-Dauerfeuer aus dem Hause Brainpool? Grabosch tut bescheiden. „Lena: 100 Prozent. Brainpool: null Prozent. Wir machen nur unsere ganz normale Arbeit. Niemand würde eine Platte kaufen, auf der nur ,Brainpool‘ stünde. Es liegt an Lena.“

Der Grand Prix ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung. Plattenfirmen wollen Platten verkaufen und Sender Werbezeiten. Während Brainpool und Universal direktes Geld (Platten) und Pro 7 indirektes Geld (Werbeeinnahmen) verdienen, geht es der ARD, die an den Plattenverkäufen nicht beteiligt ist, eher um ihr Image. Sie erreicht dank Lena ein Publikum, das ihr längst entglitten schien: unter 50-Jährige. Lena ist ein Ein-Personen-Jungbrunnen für das vergreisende Erste. Und der NDR darf sich als kreative, risikobereite ARD-Anstalt rühmen. Wie viel Geld auf Lenas Konten landet, ist streng geheim.

Imre Grimm

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