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Ein Parkbesetzer wird in der Nacht von der Polizei abgedrängt. Foto: AFP

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Panorama: Fadenscheinige Ausrede

In einer nächtlichen Kommandoaktion hat New Yorks Polizei die Occupy-Bewegung aus dem Zuccotti-Park vertrieben

Montagnacht im Zuccotti-Park an der Südspitze Manhattans. Hier schlägt das Herz der weltweiten Occupy-Bewegung. Im Moment schläft es. Bis 1 Uhr. Dann heulen plötzlich Sirenen auf. Hundertschaften der New Yorker Polizei stürmen das Gelände in voller Gefechtsmontur mit Helmen, Schlagstöcken und Schilden. Über dem Gelände knattern Polizeihubschrauber, machen die Nacht zum Tag – und dann geht alles ganz schnell.

Die Polizei gibt den Demonstranten „five minutes“, um ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen, danach wird alles konfisziert. Die ganze Zeltstadt wird abgerissen. Fernsehbilder zeigen, dass die Polizei nicht zimperlich vorgeht, Planen zerschneidet und Zeltstangen zerbricht. Rund 200 Demonstranten werden verhaftet. Hunderte Schlafsäcke werden weggetragen, Fahrräder, die von den Demonstranten zur Stromgewinnung genutzt wurden, landen auf Müllfahrzeugen, dazu die Bücherei mit hunderten von Büchern verschwindet, die Küche mit allen Lebensmittelvorräten, und die Kleiderkammer, die in den letzten Monaten warme Jacken und Decken gesammelt hatte, um die Bewegung durch den Winter zu bringen. „Sie haben alles mitgenommen“, sagt Rick DeVoe, ein 54-jähriger Aktivist aus Long Island, der seit der ersten Woche zum Camp gehört. „Die ganze Polizeiaktion war unzivilisiert.“

DeVoe ist am Dienstagmorgen unter den ersten, die sich wieder im Zuccotti Park einfinden. Ab 8 Uhr ist der Park offiziell wieder geöffnet, auch wenn man das angesichts der Barrikaden und Hunderten von Polizisten nicht sehen kann. Ein gutes Dutzend Besetzer meldet sich umgehend zurück, die Polizei versucht, sie auf kleinem Raum in Schach zu halten. Zwei junge Demonstranten werden vertrieben, weil sie nicht durch den offiziellen Eingang, sondern durch ein Blumenbeet in den Park gelangt sind. Einmal draußen, lässt man sie durch den Eingang wieder zu. Die Polizei will zeigen, dass es nicht gegen die Bewegung geht, sondern nur um die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften sowie um Sicherheits- und Hygienestandards. Auch der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg erklärt das in einer Pressekonferenz am Dienstagmorgen immer wieder. Die Situation im Zuccotti-Park sei aus sanitärer und hygienischer Sicht nicht mehr zu tolerieren gewesen. Man habe sich um die Gesundheit der Demonstranten gesorgt. Doch das sind fadenscheinige Ausreden. Mit dem Verweis auf Feuergefahr hatte die Polizei bereits vor vier Wochen einmal Generatoren konfisziert. Damals gab man den Demonstranten wenigstens eine Vorwarnung, eine anschließende Säuberung des Parks ging geordnet und kooperativ über die Bühne. Bedrohliche sanitäre Zustände fand man damals und diesmal nicht. Gerüchte, dass Demonstranten den ganzen Park und seine Bäume als Toilette benutzen, bestätigten sich nicht.

Es ging ganz klar nicht um Recht und Ordnung, sondern um das Ende von „Occupy Wall Street“. Zwei Monate lang mussten Bloomberg und vor allem die Wall Street hilflos zusehen, wie immer mehr Aktivisten gegen das wachsende soziale Ungleichgewicht demonstrierten. Bloomberg als Multimilliardär, Ex-Wall-StreetMann und bestes Beispiel für das verschrieene „1 Prozent“ wollte eigentlich vermeiden, gegen die Bewegung vorzugehen. Unter Vorwänden tat er es nun doch.

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