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Fährunglück: Etwa 300 Menschen gerettet

Bei einem der schwersten Fährunglücke der vergangenen Jahrzehnte sind am Freitag im Roten Meer wahrscheinlich mehr als 1000 Menschen ertrunken. Bis Freitagabend wurden etwa 300 Überlebende geborgen.

Kairo - Die ägyptische Fähre "Al Salam Boccaccio 98" hatte am Donnerstagabend mit 1414 Passagieren und Besatzungsmitgliedern den saudiarabischen Hafen Dhiba verlassen. Rund 90 Kilometer vor ihrem Ziel, dem ägyptischen Hafen Safaga, sank das Schiff, wie die ägyptische Nachrichtenagentur MENA berichtete. Die genaue Zahl der Todesopfer war auch Stunden nach der nächtlichen Katastrophe nicht klar. Als mögliche Unglücksursache wurden schlechtes Wetter oder ein technischer Defekt genannt.

Bis zum Abend konnten 293 Überlebende geborgen werden, wie der ägyptische Transportminister Mohammed Lutfi Mansur im staatlichen Fernsehen mitteilte. Die Rettungsarbeiten seien noch im Gange. Aus Sicherheitskreisen hieß es unterdessen, 185 Leichen seien im Meer gefunden und zu einem Stützpunkt der Marine im ägyptischen Safaga gebracht worden. Mehrere Verletzte wurden in einem Krankenhaus im Urlaubsort Hurgada, der 60 Kilometer nördlich von Safaga liegt, versorgt.

Nach Angaben des saudiarabischen Innenministeriums waren 1200 Ägypter an Bord der "Al Salam Boccaccio 98". Außerdem seien 100 Passagiere aus Saudi-Arabien, sechs Syrer, vier Palästinenser sowie je ein Bürger aus dem Oman, Sudan, aus Jordanien, Kanada, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Jemen, den Philippinen und Indonesien auf der Fähre gewesen. Zu den Nationalitäten der 96 Besatzungsmitglieder lagen keine Angaben vor.

Im Hafen von Safaga drängten sich Tausende von Angehörigen der vermissten Passagiere und warteten auf Neuigkeiten. Viele von ihnen waren schon nach Safaga gereist, bevor bekannt wurde, dass das Schiff gesunken ist. Sie hatten ihre Verwandten im Hafen empfangen wollen. Doch die Freude über ein Wiedersehen wich bangem Warten und Entsetzen, als die ersten Meldungen über die Tragödie die Runde machten. Die Angehörigen forderten die Behörden auf, ihnen Listen mit den Namen der Überlebenden zugänglich zu machen.

Weshalb das Schiff sank, war zunächst unklar. Behördenvertreter am Ort des Unglücks sprachen von einem kräftigen Wind und Wellen von bis zu zehn Metern Höhe in der Nacht zum Freitag. Später hieß es jedoch aus ägyptischen Sicherheitskreisen, es habe möglicherweise einen technischen Defekt gegeben. Das Schiff sei am vergangenen Dienstag vor seiner Abreise in Safaga und dann am Donnerstag in Saudi-Arabien überprüft worden. Der Direktor des Hafens von Dhiba, Mahmud al-Harbi, sagte der Agentur MENA, es hätten sich nicht mehr Passagiere als erlaubt an Bord befunden.

Die Fähre hatte Dhiba, den nördlichsten saudiarabischen Hafen am Roten Meer, um 20.30 Uhr Ortszeit verlassen. In Safaga hätte sie um 2.30 Uhr ankommen sollen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Besatzung der Fähre laut MENA bereits einen Notruf abgesetzt, der von der ägyptischen Fähre "Sankt Kathrin" empfangen wurde. Doch die Rettungsaktion der Behörden, die in den Morgenstunden begann, kam für die meisten Passagiere des Schiffes zu spät.

Die Fähren, die zwischen Saudi-Arabien und Ägypten verkehren, sind für viele ägyptische Arbeiter der billigste Weg, um zu ihren Arbeitsplätzen in den reichen Golfstaaten oder zur muslimischen Wallfahrt nach Mekka zu gelangen. Auf der Strecke hatte es schon mehrfach Unglücke mit Hunderten von Todesopfern gegeben.

Mitschuld daran ist oftmals der Einsatz älterer Autofähren vom Roll-on-Roll-off-Typ, die Experten als gefährlich einstufen. "Die Schiffe haben eine Bug- und eine Heck-Klappe und dazwischen Autodecks im Stil riesiger Tiefgaragen", erläuterte der Leiter des ADAC-Fährentests, Jens-Peter Hoffmann, in einem dpa-Gespräch. "Läuft vorn Wasser herein, breitet es sich schnell im ganzen Schiff aus, und die Fähren können leicht umkippen."

Auch die 1970 gebaute Unglücksfähre "Al Salam Boccaccio 98" gehört zu diesem Typ. Das Schiff hat eine Größe von mehr als 11.000 Tonnen, ist 118 Meter lang und bis zu 17 Knoten (31,5 Stundenkilometer) schnell. An Bord ist Platz für nahezu 1500 Passagiere und Autos. Eine etwa 100-köpfige Besatzung betreute die Reisenden auf den Fahrten.

Bundespräsident Horst Köhler und die Bundesregierung bekundeten Ägypten ihr Beileid. Köhler schrieb in einem in Berlin veröffentlichten Telegramm an den ägyptischen Präsidenten Mohamed Hosni Mubarak: "Mit großer Bewegung habe ich die Meldungen über die große Zahl an Opfern verfolgt, die ihr Leben bei dem schrecklichen Fährunglück im Roten Meer verloren haben." Auch die Spitzen der Europäischen Union und US-Präsident George Bush kondolierten und boten Kairo Hilfe an. (tso/dpa)

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