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Panorama: „Fahrradhelme müssen cool werden“

Nur sieben Prozent tragen den Kopfschutz / Fahrradclub kritisiert Kampagne der Hannelore-Kohl-Stiftung

Allensbach - Die meisten Deutschen halten einen Fahrradhelm für sehr vernünftig – und die wenigsten setzen ihn auf. In einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie (IfD) erklärten 51 Prozent von 2182 Befragten, ein Helm beim Radfahren sei wichtig. Allerdings gaben nur sieben Prozent der befragten Radfahrer an, immer mit Kopfschutz zu fahren. Weitere neun Prozent tragen ihn gelegentlich oder selten, die übrigen 84 Prozent fahren immer ohne Helm.

Die Umfrage kommt zeitgleich mit einer drastischen Plakatkampagne, in der die Hannelore- Kohl-Stiftung für das Tragen von Fahrradhelmen wirbt: Ein Mädchen liegt in einer Blutlache auf dem Asphalt, neben sich ihr gerammtes Fahrrad. „Jahr für Jahr verunglücken 300000 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr, bei Sport und Spiel und tragen eine schwere Schädigung des zentralen Nervensystems (ZNS) davon“, erklärt die Stiftung, die Unfallopfern mit ZNS-Schäden hilft.

Für den Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) sind die Plakate „eine Angstkampagne, die die Opfer anklagt“ und obendrein mit einer aus der Luft gegriffenen Zahl operiert, wie der Berliner ADFC-Vorsitzende Benno Koch sagt. Er merkt an, dass 2002 bundesweit maximal 7304 Radler schwere Kopfverletzungen erlitten. Achim Ebert, Geschäftsführer der Kohl-Stiftung, kontert: „Unsere Zahl von 300000 bezieht sich auf alle Unfallarten“, also auch auf Stürze von der Wickelkommode oder der Leiter. Es gehe nicht darum, wer schuldig ist, sondern um die schützende Wirkung der Helme.

Die in Zahlen nachzuweisen ist schwierig: Eine Studie der Medizinischen Fachhochschule Hannover aus den 90er Jahren ergab zwar, dass bei einer Helmtragequote von 100 Prozent die Zahl der schwer verletzten oder getöteten Radfahrer um ein Fünftel abnehmen dürfte. Allerdings erfasst die Polizei nicht, ob verunglückte Radler Helme trugen. Daher gibt es keine exakte Statistik über den Nutzen von Fahrradhelmen.

Das Verkehrsministerium lehnt eine Helmpflicht ab. „Wir appellieren, einen Helm aufzusetzen, aber es bleibt freiwillig“, sagt eine Sprecherin. In Australien hatte die 1991 eingeführte Helmpflicht vor allem den Effekt, dass die Zahl der Radler abnahm – und zwar deutlich stärker als die der Unfälle. Daraus schließt ADFC-Mann Benno Koch, dass Rad fahren schon durch die bloße Masse der Radler sicherer wird: „Unfälle passieren da, wo Radfahrer nicht zum gewohnten Straßenbild gehören."

In Europa müssen Radfahrer nur in Spanien – zumindest außerorts – einen Helm tragen. Nach einer Studie der EU steigen allerdings die Spanier auch nur selten aufs Fahrrad: 4,4 Prozent von ihnen radeln mindestens einmal pro Woche. In Deutschland sind es 33, in den Niederlanden 66 Prozent. „Am besten wäre es, wenn Helm tragen cool wird“, sagt Sina Vogt vom Unfallkrankenhaus Berlin. „In Kanada gilt es als dumm, ohne Helm zu fahren. Und wer will schon dumm sein?“

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