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Fall Kevin: Staatsanwalt fordert 13 Jahre Haft für Ziehvater

Nach dem tödlichen Martyrium des kleinen Kevin aus Bremen fordert die Anklage eine Verurteilung des Ziehvaters wegen Mordes. in seinem Plädoyer schilderte der Staatsanwalt den Tod des Jungen als eine Chronologie des Grauens.

Staatsanwalt Daniel Heinke plädierte vor dem Bremer Landgericht nicht auf lebenslange Haft, weil eine verminderte Schuldfähigkeit des Drogensüchtigen zum unklaren Tatzeitpunkt nicht auszuschließen sei. Knapp zwei Stunden fasste der Staatsanwalt die Aussagen der Zeugen zusammen und wertete sie als Mord und schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen. Der Zeitraum des Martyriums erstreckt sich von der Geburt des Kindes im Januar 2004 bis zum Leichenfund im Oktober 2006.

Brüche an Oberarmen, Schienbeinen, Rippen, Schädel, zudem Schwellungen und Prellungen im Genitalbereich und am Unterbauch wurden bei Kevin festgestellt. Aufgewachsen in einem Milieu von Alkohol, Rauschgift und Gewalt, wurde der Junge unter staatlicher Obhut trotz zahlreicher Hinweise auf schwerste Misshandlungen immer wieder an seine drogensüchtige Mutter und ihren Partner gegeben. Nach dem Tod der Mutter im November 2005 kam er ohne rechtliche Notwendigkeit zum angeklagten 43-Jährigen, der weder der leibliche Vater noch mit der Mutter verheiratet war. Zwischen Ende April und spätestens im August 2006 "brachte der Angeklagte das Kind um".

Leiche im Kühlschrank

Die Anklage geht von einem Tötungsvorsatz und dem Mordmerkmal Grausamkeit aus. Der Ziehvater habe Kevin den linken Oberschenkel gebrochen, im Anschluss daran kam es möglicherweise zu einer Fettembolie und Herzversagen. "Es ist ein Bruch des stabilsten Knochens im menschlichen Körper", sagte Staatsanwalt Heinke. Um diesen Knochen zu brechen, reiche es nicht aus, ein Kind nur herunterfallen zu lassen. Anschließend dürfte Kevin noch Stunden, vielleicht sogar einen Tag gelebt haben, bevor der 43-Jährige die Kinderleiche in Decken und Müllsäcke einwickelte und in den Kühlschrank steckte.

Dies sei jedoch nicht die einzige mögliche Todesursache. Auch ein Mangelschock durch Blutungen oder Ersticken könnte zum Tod geführt haben. Mehr Möglichkeiten gebe es rechtsmedizinisch nicht. Alle Varianten seien auf Gewalteinwirkung zurückzuführen, sagte Heinke. Der Angeklagte machte sich währenddessen Notizen oder starrte mit leerem Blick auf sein Pult.

Urteil am 5. Juni

In jedem Fall habe der Beschuldigte den Tod des Kindes in Kauf genommen. Es sei davon auszugehen, dass der Jungen nach dem Bruch des Oberschenkels bei einer rechtzeitigen medizinischen Versorgung "vielleicht sogar überlebt hätte". Einem Bekannten, der den Jungen kurz vor seinem Tod noch lebend sah, soll der Angeklagte gesagt haben: "Du wirst von mir in der Zeitung lesen. Wenn man mir das Kind wegnehmen will, werde ich es erlösen."

Der 43-Jährige habe trotz seines Drogenkonsums immer auch Momente gehabt, in denen er taktisch gehandelt habe. Er habe sich nicht im Zustand einer dauerhaften Unzurechnungsfähigkeit befunden. "Auch wenn ich für die Tat nicht ausschließen kann, dass er da berauscht war", sagte Heinke. Er forderte auch eine Einweisung in eine Entziehungsanstalt. Das Urteil wird für den 5. Juni erwartet.

Nicht einmal Kevins Alter ist bekannt

In einem weiteren Verfahren müssen sich der für Kevin zuständige Sozialarbeiter und der staatliche Vormund wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verantworten. Der Sozialarbeiter war erst kürzlich nach monatelanger Krankschreibung auf einen Verwaltungsposten in die Sozialbehörde zurückgekehrt. Nach massiver Kritik wurde der Mann nach Angaben einer Sprecherin mit sofortiger Wirkung suspendiert. Das Verfahren gegen die Mitarbeiter wird mehr als eineinhalb Jahre nach dem Leichenfund noch einmal das Schicksal von Kevin aufzeigen. Von einem Jungen, von dem Staatsanwalt Heinke in seinem Plädoyer sagte: "Ein Kind, von dem wir nicht einmal wissen, wie alt es geworden ist." (küs/dpa)

Oliver Pietschmann[dpa]

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