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Madeleines Eltern

© dpa

Fall Maddie: Ein Sorry für die Eltern

Englische Zeitungen bitten Kate und Gerry McCann um Entschuldigung für unbewiesene Vorwürfe. Sie hatten unterstellt, die Eltern hätten ihre vermisste Tochter Madeleine verschwinden lassen. Die Medien zahlen eine erhebliche Entschädigung.

Von Markus Hesselmann

Die Übeltäter selbst nennen ihren Schritt „beispiellos“. Oben auf der Titelseite, in voller Breite, druckte der „Daily Express“ am Mittwoch eine Entschuldigung an Kate und Gerry McCann. Mit einem fettgedruckten „Sorry“ bittet die britische Zeitung um Verzeihung für eine Reihe von Artikeln, die „nahelegten, das Paar habe den Tod ihrer vermissten Tochter Madeleine herbeigeführt und dann vertuscht“. Es gebe keine Beweise, die „diese Theorie“ stützten, schrieb der „Daily Express“ – eigene Einschätzung im Untertitel: „The world’s greatest newspaper“ (Die großartigste Zeitung der Welt). Das Boulevardblatt „Daily Star“ druckte ein ähnlich formuliertes Mea Culpa, ebenfalls oben auf der Titelseite. Die Sonntagszeitungen „Sunday Express“ und „Daily Star Sunday“ planen ähnliche Richtigstellungen für ihre kommenden Ausgaben. Alle vier Blätter gehören zum Express-Verlag und haben insgesamt eine Auflage von rund drei Millionen Exemplaren pro Ausgabe.

Vor einem Londoner Gericht wurde zudem am Mittwoch eine öffentliche Entschuldigung ähnlichen Inhalts verlesen. Die McCanns erhalten dem Sender BBC zufolge fast 800 000 Euro Entschädigung für die in den Zeitungen erhobenen Beschuldigungen. Nach Angaben eines Sprechers der McCanns fließt das Geld in den Fonds „Find Madeleine“, mit dem die internationale Suchkampagne für das Mädchen finanziert wird.

Das damals fast vierjährige Kind war im Mai 2007 im portugiesischen Ferienort Praia da Luz verschwunden. Bis heute gehen Kate und Gerry McCann davon aus, dass Madeleine entführt wurde und weiterhin am Leben ist. Die Ermittlungen der portugiesischen Polizei, unterstützt von britischen Experten, haben bislang nicht auf die Spur des verschwundenen Mädchens geführt. Im Rahmen ihrer Ermittlungen haben die portugiesischen Behörden die McCanns als Verdächtige eingestuft und vernommen, ohne dass daraus ein konkreter Vorwurf erwuchs. Auch die Ermittlungen gegen einen britischen Staatsbürger aus Praia da Luz, in der britischen Presse immer wieder mit vollem Namen genannt und in Bildern gezeigt, haben bislang nichts Konkretes ergeben. Den wenigen Fakten, die bekannt wurden, stand eine lang anhaltende, umfassende Berichterstattung voller Spekulationen und Verdächtigungen gegenüber. Vor allem in Großbritannien und Portugal.

Ob die McCanns nun auch gegen andere Zeitungen vorgehen wollen, ließ ihr Sprecher gestern bei einer Pressekonferenz offen. Er nannte Geschichten über den angeblichen Verkauf des Kindes an Menschenhändler durch ihre Eltern oder die Teilnahme der McCanns an Sexpartys als besonders abscheuliche Beispiele der jetzt inkriminierten Berichterstattung. Auf mehr als 100 Artikel in den vier Zeitungen habe sich die Beschwerde bezogen. Der Sprecher betonte aber, dass Madeleines Eltern nichts gegen die Medien als solche hätten. Schließlich hätten sie bei der Suche nach dem Mädchen gern mit ihnen zusammengearbeitet und würden das auch weiterhin tun.

Das britische Paar hatte eine internationale Kampagne organisiert, um die Suche nach Madeleine zu forcieren. Die McCanns besuchten europäische Hauptstädte, darunter Berlin, und auch den Vatikan. Spenden finanzierten die Kampagne. Kritik wurde allerdings laut, als herauskam, dass die McCanns Geld aus dem Spendenfonds auch zur Abzahlung der Hypothek ihres Hauses in Großbritannien verwendeten.

Die Kampagne werde fortgesetzt, kündigte der Sprecher der McCanns an, vor allem mit weiteren privaten Ermittlungen. In welche Richtung diese gingen und wer sie anstellen soll, dazu wollte der Sprecher am Mittwoch nichts sagen. Die BBC berichtete, das Geld im Spendenfonds werde durch die Entschädigungszahlung der vier Zeitungen auf rund 1,6 Millionen Euro verdoppelt.

Beispiellos ist der Schritt der Zeitungen allerdings nicht. Immer mal wieder drucken britische Blätter Entschuldigungen, wenn auch selten auf ihrer Titelseite. „Sorry Elton“, schrieb dort die „Sun“ 1987 und entschuldigte sich damit beim Sänger Elton John für eine Geschichte über angebliche Kontakte zu Callboys. Dass nun gleich vier Zeitungen kollektiv um Verzeihung bitten, ist auch auf der Insel noch nicht dagewesen.

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