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Pascal-Prozess

© AFP

Fall Pascal: Die Angeklagten sind frei - der schreckliche Verdacht bleibt

Mehrfach vergewaltigt, getötet und in einer Kiesgrube vergraben - so lautet der Verdacht der Staatsanwaltschaft. Vor fast sechs Jahren ist der damals fünfjährige Pascal verschwunden. Heute sind die zwölf Angeklagten wegen Mangels an Beweisen freigesprochen worden.

Die Tante Pascals schildert ihn als eher "ängstliches Kind", das Schwierigkeiten beim Laufen hatte. Bei seinem Fahrrad seien erst vor kurzer Zeit die Stützräder abmontiert worden. Sie ist sich sicher, dass er damit noch nicht sehr weit fahren konnte.

Wenige Tage zuvor haben seine Eltern Pascal als vermisst gemeldet. Von der Wohnung in Saarbrücken-Burbach aus war er zum Spielen aufgebrochen und nicht wieder nach Hause zurückgekehrt. Auch an jenem Sonntagnachmittag vor fast sechs Jahren war Pascal mit seinem blau-lilafarbene Fahrrad unterwegs.

Nur wenige hundert Meter von seinem Zuhause entfernt ist der fünfjährige Pascal den späteren Ermittlungen und Geständnissen zufolge am 30. September 2001 im Hinterzimmer der "Tossa-Klause" von mehreren Männern vergewaltigt und dabei getötet worden. Der Junge kannte die kleine Wirtschaft. Mit seinem Stiefvater soll Pascal häufiger in der nahen Bierstube zu Gast gewesen sein.

Wirtin soll auch andere Kinder an Freier verkauft haben

Pascal soll nicht der einzige sein, der in der Bierklause von Christa W. vergewaltigt worden ist. Auch andere Kinder, insbesondere ein heute zwölf Jahre alter Freund von Pascal, seien in dieser Gaststätte schwer sexuell missbraucht worden. Dieser Junge, der heute bei Pflegeeltern lebt, hatte die Ermittlungen im Fall Pascal erst in Gang gebracht. Ein kleines Mädchen sei ebenfalls Opfer der Kinderschänder geworden.

Die Wirtin der "Tosa-Klause" soll die Kinder an Freier verkauft haben. Die Frau war vom Jugendamt und vom Gericht als Pflegemutter und zeitweise auch als Vormund des Freundes von Pascal eingesetzt. Christa W. soll den Jungen und dessen leibliche Mutter, deren Betreuerin sie auch war, zur Prostitution gezwungen haben.

Leiche bis heute unauffindbar

Um 16:20 Uhr wurde Pascal am 30. September 2001 das letzte Mal gesehen. Was danach geschehen ist, haben Fahnder auf Aussagen gestützt zu rekonstruieren versucht. Demnach soll sich Pascal in der Bierklause von Christa W. aufgehalten haben, in einem Nebenraum vergewaltigt und später umgebracht worden sein.

Seine Leiche soll dann zu einer riesigen Kies- und Sandgrube im nahen lothringischen Schöneck gebracht worden sein. Dort hatten Polizisten tagelang intensiv mit Leichenspürhunden nach Pascal gesucht. Die Suche wurde abgebrochen, ohne dass auch nur die geringste Spur gefunden werden konnte. Auch das blau-lilafarbene Fahrrad des Jungen, mit dem er unterwegs war, bleibt unauffindbar. Bis heute ist der Verbleib von Pascals Leiche ein Rätsel.

Freispruch wegen Mangels an Beweisen

Das grausame Verbrechen an dem fünfjährigen Pascal stellte die Justiz vor eine Herkules-Aufgabe. Zwei Umstände machten das Verfahren schwer. Erstens: Das Opfer ist spurlos verschwunden. Es können deshalb an der Leiche selbst keine Untersuchungen vorgenommen werden, die einen Aufschluss über das Verbrechen geben. Zweitens: Bei den Beschuldigten handelt es sich großteils um labile, beeinflussbare Personen mit sehr geringer Intelligenz, deren Aussagen widersprüchlich sind. Dem Gericht lagen mehrere Geständnisse vor, die sich aber nicht nur widersprachen, sondern zum Teil auch widerrufen wurden. Einige Angeklagte und ihre Verteidiger hatten den Vorwurf erhoben, die vorliegenden Geständnisse seien erzwungen worden.

Heute ist die Wirtin und Hauptangeklagte Christa W. und elf weitere Beschuldigte im Alter zwischen 35 und 60 Jahren vom Landgericht Saarbrücken wegen Mangels an Beweisen freigesprochen worden. Die acht Männern und vier Frauen im Alter von 38 bis 64 Jahren mussten sich beinahe drei Jahre lang vor Gericht verantworten, den fünfjährigen Pascal vergewaltigt und getötet oder Beihilfe zu der Tat geleistet zu haben. Der Vorsitzende Richter Ulrich Chudoba betonte in der Urteilsbegründung: "Der Verdacht bleibt, aber auf Verdacht hin darf niemand verurteilt werden". 

Benedikt Schöneck

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